Was viele junge Leute nicht wissen: das Finanzministerium NRW bildet allein in diesem Jahr 400 junge Leute im gehobenen – und 200 im mittleren Dienst aus. Für 2010 werden noch dringend Interessierte gesucht – denn die Nachfrage ist nicht besonders eindrucksvoll. Im Folgenden ein Überblick über Voraussetzungen, Ausbildungsinhalte, das Online-Bewerbungsverfahren, Verdienst, Berufsbilder und Aufstiegschancen:
Kein Wunder, dass sich so wenig Bewerber für die Beamtenlaufbahn beim Finanzamt entscheiden – welcher Jugendliche antwortet schon, wenn er gefragt wird, was sein Berufswunsch sei: „Ich werde einmal Finanzbeamter!“
Und da sind wir auch schon bei der Hauptkrux: das Ansehen in der Öffentlichkeit ist nicht gerade hoch, wer liebt schon das Finanzamt – und auf jeder Party muss man sich, wenn man den Beruf angibt, Witze anhören (oder noch schlimmer: erlebte Geschichten).
Doch wie immer hat jede Medaille zwei Seiten – und die positiven machen doch nachdenklich: kein Beruf ist so sicher wie der eines Beamten. Auch die Bezahlung ist nicht übel – im gehobenen Dienst kann man schon ganz gut eine Familie ernähren. Das Betriebsklima ist in den meisten Finanzämtern sehr angenehm –nicht zuletzt, weil das Feindbild in der Gesellschaft unweigerlich zusammenschweißt.
Die Ausbildung macht Spaß: im Schloss-Internat bei Münster wird zwar viel verlangt – aber die Umgebung ist einfach wunderschön. Und die Anwärterbezüge für die Auszubildenden mit 900 Euro brutto monatlich von Beginn ab sind auch nicht so übel.
Auch die Karrieremöglichkeiten sind vielfältig – und besonders die Steuerfahndung ist spannend für junge Menschen, die gern recherchieren und mathematisch juristische Rätsel lösen.
Nun zu den Details:
Berufsbilder
Den mittleren Dienst gibt es in NRW erst wieder seit zwei Jahren. Voraussetzung hierfür ist die Fachoberschulreife – also die 10. Klasse mit „Quali“. Sehr gute Noten werden nicht erwartet, ein gutes Befriedigend sollte es aber schon sein. Wichtig ist das Interesse für Wirtschaft und Jura, für Zahlen und Sachfragen.
Wählt man diese Form, sind die Aufstiegschancen begrenzter als im gehobenen Dienst. Man wird nach Abschluss einer zweijährigen Ausbildung (8 Monate Theorie, 16 Monate Praxis) „Finanzwirt“. Spitzenleute schaffen es nach einigen Berufsjahren in den gehobenen Dienst.
Die Bewerbung ist unkompliziert. Das Online-Portal www.ausbildung-im-finanzamt.de gibt alle weiteren Infos, ist für 2010 ab dem 1. Juli 09 eröffnet.
Der gehobene Dienst steht allen Jugendlichen offen, die die Fachhochschulreife oder allgemeine Hochschulreife erlangt haben. Auch hier zählt neben dem Notendurchschnitt (eine Punktzahl, die dem Notendurchschnitt Befriedigend entspricht, sollte mindestens sein) die passende Interessenslage und eine gute Auffassungsgabe.
Zahlen, Fakten, juristische Hintergründe, wirtschaftliche Zusammenhänge beschäftigen einen Diplom-Finanzwirt in seinem Berufsalltag.
Es wird viel telefoniert und diskutiert mit Steuerpflichtigen, Steuerberatern, es müssen laufend Entscheidungen getroffen werden, Sachlagen müssen immer wieder sorgfältig geprüft werden.
Die Ausbildung dauert 3 Jahre, davon 21 Monate Studium im Schloss Nordkirchen bei Münster, 15 Monate Praxis in den verschiedenen Ebenen der Finanzverwaltung. Die Anwärterbezüge betragen (etwas mehr als im mittleren Dienst) von Beginn ab ca. 900 Euro brutto.
Im Folgenden gehe ich nur noch auf den gehobenen Dienst ein. Erstens, weil die Zahl an Ausbildungsstellen doppelt so hoch ist wie im mittleren Dienst, und zweitens, weil die Aufstiegs- und Verdienstchancen doch um Einiges besser sind. Trotzdem ist es sehr zu begrüßen, dass es den mittleren Dienst als Alternative endlich wieder gibt!
Also:
1. die Chancen auf einen Ausbildungsplatz stehen sehr gut – vor allem für junge Leute im Ruhrgebiet. Denn hier sind auf engstem Raum viele Ämter nah beieinander (allein in Dortmund gibt es vier Finanzämter), so dass man gewiss nicht wegziehen muss. Als Beispiel: Witten hat in diesem Jahr 3 Auszubildende aufgenommen – und das Finanzamt hat sogar richtig Werbung gemacht, um überhaupt geeignete Jugendliche zu finden!
2. die Abschlusschancen stehen auch gut: Im vergangenen Jahr haben von 400 Anwärtern nur 25 keinen Abschluss gemacht – wo gibt es schon so niedrige Versagerquoten?
3. die Übernahmechancen sind noch besser: der Leiter (Vorsteher) des Finanzamtes in Witten, Herr Günter Strecke, erläutert: „In den letzten 30 Jahren habe ich nicht ein einziges Mal erlebt, dass ein Absolvent nicht übernommen wurde“.
4. Die Berufszufriedenheit ist erstaunlich hoch: die Krankheitsstatistik bei Finanzbeamten ist geringer als in der freien Arbeitnehmerschaft (obwohl in der freien Wirtschaft häufig enormer Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt wird, wenn diese erkranken!) – und die Lebenserwartung ist tatsächlich um einiges höher als beim Durchschnitt der Berufstätigen allgemein.
5. Die Chancen auf ein finanziell abgesichertes Leben sind ebenfalls gut. Nach der Ausbildung beträgt der Anfangs-Bezug eines verbeamteten Dipl. Finanzwirts (alle sind Beamte) rund 2.000 Euro brutto. Bei Beamten gibt es weniger Abzüge als bei Arbeitnehmern, es bleiben vom Brutto immer so 70 Prozent. Mit 40 Jahren hat man um die 4.000 Euro brutto. Man beginnt als Inspektor, wird später Oberinspektor, dann Amtmann – die höchste Stufe heißt „Amtsrat“.
6. Die Chancen auf ein sorgenfreies Alter? Nun, es heißt nicht Rente, es heißt Pension – und ein Ehemann mit Beamten-Pension ist sprichwörtlich das, wovon viele alleinstehende Damen mittleren Alters träumen…
Im Gespräch mit Vorsteher (so heißen die Geschäftsführer von Finanzämtern) Günter Strecke und dem stellvertretenden Vorsteher und Zuständigen für die Auszubildenden, Gerhard Schmidt, ergaben sich für mich noch einige Fragen:
Frage: Wie bewirbt man sich, was schreibt man am besten, und was passiert dann?
G. Strecke: Nun, das Online-Portal mit den Bewerbungen 2010 öffnet am 1. Juli 2009. Es gibt ein Online-Formular sowohl für den mittleren – als auch für den gehobenen Dienst. Man gibt seine Zensuren bzw. Punkte ein, seinen Lebenslauf, Interessen, Hobbys – und beschreibt kurz, warum man sich für diesen Beruf interessiert. Dann heißt es warten. Dadurch, dass der Landeshaushalt immer erst sehr spät entschieden ist, wird erst im Februar, März nächsten Jahres klar sein, wie viele Auszubildende in NRW genommen werden. Dann wird man vom entsprechenden Finanzamt zum Gespräch eingeladen – und beide Seiten können sehen, ob man zusammenpasst.
Frage: Aber wenn alles erst so spät entschieden werden kann, haben doch sicher viele Anwärter schon eine berufliche Alternative gefunden!
G. Strecke: Ja, das ist mit unser Problem. Also ruhig einfach einmal online bewerben – absagen kann man ja immer noch – aber die Chancen auf eine Zusage stehen gerade wegen der zeitlichen Verzögerung richtig gut!
Frage: Welche Fähigkeiten wünschen Sie sich, wenn Sie eine Bewerbung lesen – was erregt Ihr Interesse?
G. Schmidt: Besonders wichtig ist eine gute Auffassungsgabe, denn die Sachverhalte sind häufig sehr kompliziert. Dann ist ein grundlegendes wirtschaftliches und juristisches Interesse wichtig, Freude an Logik und Zahlen und eine IT-Aufgeschlossenheit. Was uns bei Bewerbungen sehr anspricht, ist Teamfähigkeit und eine gewisse Konfliktfähigkeit. Ein guter Finanzbeamter bleibt auch in schwierigen Situationen gelassen, besticht durch Fairness und Sachlichkeit.
G. Strecke: Ja, wenn jemand sehr schüchtern und ängstlich ist, wird er sich im Umgang mit Steuerzahlern wohl kaum zurechtfinden. Das muss man sagen.
Frage: Und welche Stationen durchlaufe ich nach der Ausbildung? Welche Bereiche gibt es hier im Finanzamt?
G. Strecke: Zuerst kommt die Veranlagungsstelle, dort werden alle Steuererklärungen aufgenommen und bearbeitet. Ein weiteres Arbeitsgebiet ist die Erhebungsstelle. Dort werden die zu zahlenden Steuern beigetrieben oder über Zahlungsaufschübe verhandelt. In der Betriebsprüfungsstelle werden die Außenprüfungen bei den Firmen vorgenommen – und die Steuerfahndung geht raus, falls das Finanzamt den Verdacht von Steuerhinterziehung hat. Seitlich zu diesen vier Stufen gibt es –neben anderen- noch die Rechtsbehelfstelle, die Einsprüche prüft und das Finanzamt vor Gericht vertritt.
Frage: Was sind die Nachteile an dem Beruf?
G. Schmidt: Durch viele Altersabgänge und die ständigen Gesetzesänderungen gibt es in jeder Weise eine hohe Fluktuation und häufigen Anpassungsbedarf.
G. Strecke: Ja, das mit der ständigen Fluktuation ist unser Hauptproblem. Wir haben einen hohen Frauenanteil – und viele junge Mütter arbeiten selbstverständlich in Teilzeit. Das erfordert ein ständiges „Schreibtischrücken“. Man sagt, dass spätestens alle 5 bis 7 Jahren ein neues Arbeitsgebiet auf die Mitarbeiter wartet. So wird der Segen, dass wir als Behörde unsere beamtenrechtliche Fürsorgepflicht ernst nehmen, auch zum Fluch: die Arbeitsbelastung ist durch die vielen Arbeitszeitreduzierungen, die nicht ausgeglichen werden, extrem hoch.
G. Schmidt: Und gerade in der Vergabestelle sind die Nebentätigkeiten sehr hoch: etwa zwei Drittel der Zeit wird telefoniert, gesprochen, gefragt, diskutiert – da ist es ganz schön schwierig, das Kerngeschäft im Auge zu behalten und sich nicht zu verzetteln.
Frage: Das glaub ich! Und wie ist hier in Witten das Betriebsklima?
G. Schmidt: Sie vermuteten es bereits zu Beginn des Gesprächs richtig. Durch das vorurteilhafte Bild in der Öffentlichkeit ist der Zusammenhalt unter uns sehr hoch. Ich möchte wirklich jeden Jugendlichen ermutigen, sich einfach zu bewerben, genau zu prüfen, ob unser Berufsalltag zu ihm passt – und dann ganz in Ruhe eine Entscheidung zu treffen. Ich persönlich muss sagen, ich habe es nie bereut.
G. Strecke: Vorsteher zu werden, ist natürlich eher selten möglich, und diese Position ist auch nicht einfach, da die Personalprobleme bedrücken können. Aber trotzdem macht mir mein Beruf noch immer Spaß. Ich komme viel herum, bilde mich laufend weiter und die Fürsorge für meine Mitarbeiter bedeutet mir viel.
Frage: Dürfen Sie denn interessiert Jugendlich auch anrufen, um weiterzufragen?
G. Schmidt: Sehr gern! Meine telefonische Durchwahl lautet: 02302-921-2586. Das ist ernst gemeint: einfach anrufen, ich freue mich und nehme mir auch gern die Zeit für ein Gespräch.
Ich: Danke schön, also mir gefällt es bei Ihnen richtig gut. Ich mag Beamte.
Adresse des Online-Portals:
www.ausbildung-im-finanzamt.de