e-Learning mit Moodle: Dozenten wollen „Impulse setzen“ statt „Inhalte vermitteln“

Alles ist im Umschwung. Wir trainieren nicht mehr unser Gedächtnis – wir trainieren unser Echtzeit-Gehirn. Wir denken kreativ und müssen ständig weiterlernen – bis zum Lebensende. Doch in welch krassem Unterschied hierzu steht der Frontalunterricht, den Lehrer so lieben – und der Schüler zur Passivität verdammt? Moodle ist eine kooperative e-Learning Plattform, die den Dialog fördert und das kreative projektbezogene Lernen unterstützt. SteadyNews sprach auf der Messe „Zukunft Personal“ in Köln mit Ralf Hilgenstock, Geschäftsführer von eLeDia (eLearning im Dialog). Hier eine Zusammenfassung der Ergebnisse:

Was ist Moodle?

Moodle ist eine so genannte Open Source Software – ähnlich wie WordPress, Wikipedia, Mozilla… Erdacht hat sie der Informatiker und Pädagoge Martin Dougiamas. 1999 entwickelte er die Lernplattform mit sozial konstruktivistischen Lernansätzen für eine Doktorarbeit (die dann nie fertig wurde, weil der Erfolg den jungen Mann überrannte). Heute arbeiten 24 Entwickler professionell an der Weiterentwicklung (vor allem in Australien) – aber auch die Community ist weltweit weiterhin sehr aktiv und für die ständige Optimierung des Programms mit verantwortlich.

Moodle besteht aus der frei zugänglichen Software und einem kommerziellen Bereich. Unternehmen, Hochschulen, Organisationen nutzen häufig die professionelle Variante für den passgenauen Einsatz und finanzieren so für alle Moodle Anwender die ständige Erweiterung und Optimierung.

Heute gibt es etwa 500.000 Installationen von Moodle (in Deutschland sind es ca 6.000) – vom freiberuflichen Trainer bis zur Hamburger Sparkasse, von der Bundeswehr bis zur Pharma-Industrie – Moodle ist weltweit zum Synonym für eigenverantwortliches interaktives Lernen geworden. Zwei Drittel der deutschen Hochschulen nutzen Moodle – und sogar Grundschulen beginnen, die Lernplattform zu integrieren.

Was bedeutet e-Learning mit Moodle?

Die meisten e-Learning Plattformen bieten nur webbasierte Trainings an (WBT) – man klickt sich durch eine Lernsoftware, liest Texte, beantwortet Fragen, absolviert Multiple Choice Tests… die Teilnehmer haben nur begrenzt Möglichkeiten der Interaktion.

„Social Learning“ mit Moodle bedeutet, dass die Prinzipien von Social Media auch beim Lernen greifen, Social Learning ist mehr als Likes und Kommentare, es ist ein ständiger Dialog:

  • Man hat Kontakt zum Dozenten
  • Man hat Kontakt zu den Mitschülern
  • Man „macht was zusammen“

Der komplette Seminarraum wird bei Moodle abgebildet. Dieser besteht aus dem Lernmaterial, den Gruppen und Untergruppen, den Wikis für das gemeinsame Wissensarchiv und den Blogs der Teilnehmer. Über RSS-Feeds können in Echtzeit News und Beiträge erfasst und gelesen werden, man kann Videos, Audios, Texte, soziale Netzwerke und Grafiken einbinden, kann Tests gestalten, Linklisten ausbauen und YouTube Videos auch ganz leicht in die Plattform integrieren. Facebook allerdings hat in Moodle nichts zu suchen – da fehlt einfach die Kontrolle über die Daten.

Was hat diese konstruktivistische Lernmethode für Konsequenzen?

Normalerweise vermittelt ein Dozent Inhalte. Beim interaktiven Lehren und Lernen wird der Lehrer zum Moderator. Die Kunst besteht darin, den Teilnehmern die Kontrolle über den zu lernenden Stoff zu übertragen, ihnen dabei Unterstützung zu geben, selbstständig zu begreifen, zu diskutieren, zu strukturieren und Neues zu schaffen. So ist das projektbezogene Lernen eine gängige Methode von Moodle-Trainern. Jeder Teilnehmer hat seinen persönlichen Raum, den er gestaltet und mit Dozent und Lerngruppe teilt.

Vom Dozenten zum Trainer, vom „Inhalte vermitteln“ zum „Impulse setzen“

Stellen Sie sich vor, Sie haben sich zu einer Weiterbildung in Buchhaltung entschieden. Erwartungsvoll sitzen sie mit anderen Teilnehmern im Kurs, vor Ihnen ein Laptop, der an Moodle angeschlossen ist. Der Dozent betritt den Raum und fragt Sie: „Was möchten Sie lernen?“ Er sammelt die verschiedenen Punkte und beginnt mit einem Fünf-Minuten Impulsvortrag – in eine Geschichte verpackt. Dann stellt er eine offene Frage: „Was ist das eigentliche Wesen von Buchführung? Was genau will man durch Buchführung ermitteln?“ Die Gruppe wird in Untergruppen von jeweils drei Teilnehmern aufgeteilt – und los geht es.

Die Teams sammeln Fragen, bündeln, strukturieren, recherchieren, analysieren und kommen sicher zu unterschiedlichen Ergebnissen. Jede Gruppe stellt ihre Ergebnisse in den Gruppenraum und die Teams vergleichen diese. Der Trainer steht helfend zur Seite, ist interaktiv an der Erarbeitung der Aufgabe beteiligt, gibt immer mal wieder einen Tipp oder greift behutsam ein, wenn ein Team sich zu sehr festbeißt.

Natürlich werden die Teilnehmer das selbst Erarbeitete nicht so schnell vergessen, getreu dem Satz von Goethe: „Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es um es zu besitzen“. Sehr schnell wird den Schülern bewusst, was der Stoff mit ihrer persönlichen Erlebniswelt zu tun hat, es werden Projektgruppen gebildet, die von der Idee bis zur Präsentation den kompletten Stoff selbstständig erarbeiten und kreativ umsetzen.

Der Aufwand der Vorbereitung ist für den Trainer sehr hoch, er braucht viel Wissen, Empathie, Vertrauen und Erfahrung, um immer wieder zu motivieren und auf das Wesentliche zurückzukommen. Die Gruppen müssen geführt werden, die Stillen ermuntert und die Passiven aktiviert werden. Es müssen immer wieder Erfolgserlebnisse eingebaut werden und Zwischenziele formuliert werden. Und das Schwierigste: Der Trainer muss es aushalten können, dass er im besten Fall kaum eine Rolle spielt bei dem Lernprozess – dass es sein eigentliches Ziel ist, sich überflüssig zu machen!

Konstruktivistisches Lernen im e-Learning

Online-Weiterbildungen und Schulungen haben den Vorteil, zeitlich und räumlich unabhängig zu funktionieren. Für viele Menschen ein Muss in der heutigen Zeit, da sie beruflich sehr eingespannt sind, zum Beispiel als Mutter kleiner Kinder. Moodel ermöglicht es, die Faktoren

  • Informationen (Skripts, eBooks, Lektionen, Aufgaben…)
  • Werkzeuge (Tests, Links, Wikis, Glossare, Verzeichnisse, Umfragen, Feedbacks)
  • Kommunikation (Chats, Foren, Videochats, soziale Netzwerke, Blogs…)

ganzheitlich einzusetzen, so dass anspruchsvolle Lernpfade entstehen. Jeder Teilnehmer wird zum Projektleiter, der Trainer wird zum Dienstleister, zur Sachautorität.

Ich habe von Vera F. Birkenbihl die Geschichte gehört von einem Pfarrer in Südamerika, der armen Kindern das Lesen beibrachte – aber mal ganz anders! Er setzte sich neben das Kind, das ein Buch vor sich hatte und wartete ab. Wenn das Kind ihn bat, ein Wort oder einen Buchstaben vorzulesen, tat er das – aber immer nur das und immer nur so, wie das Kind es von sich aus wollte. Seine Methode war so erfolgreich (und schnell!), dass das Regime ins Gefängnis steckte – als subversives Element.

gab mir noch ein paar Lesetipps, die ich weitergeben möchte. Vielleicht gelingt es uns Dozenten ja doch, nach und nach hinter das Geheimnis des „Impulse Setzens“ zu kommen, man muss nur genug darüber wissen und es wirklich verstehen!

Hermann Will: Das große Workshop Buch

Ulrike Höbarth: Konstruktivistisches Lernen mit Moodle

Carsten Wiegrefe: Das Moodle 2 Praxisbuch

Und einmal jährlich gibt es in Deutschland eine große Moodle Anwender-Konferenz – hier die Infos bei Moodlemoot.de

Alle weiteren Informationen und eine Übersicht über Schulungen, Dienstleistungen etc. hier bei www.eledia.de
Und hier der Link zur weltweiten Moodle-Community – mit 50 Foren und in vierzig Sprachen: moodle.org

 

 

 

 

2 thoughts on “e-Learning mit Moodle: Dozenten wollen „Impulse setzen“ statt „Inhalte vermitteln“

  • Reply Karl Dilly 9. Oktober 2012 at 12:13

    Liebe Frau Ihnenfeldt,

    sehr gute Lern-Methode und Hilfe, die Sie mit Ihrem Artikel darstellen. Als Verhaltens-Trainer habe ich mir immer gewünscht, als Bereicherung und noch mehr Lernerfolg bewirkendes Vorgehen die (MOODY-) Mittel zur Verfügung haben zu können.

    Eines allerdings:
    Das persönliche Direkt-Gespräch zu lernen ist die beste Methode, um im Alltag Erfolg haben zu können: Alle Gespräche zwischen Führungskraft und MitarbeiterIn – vom Einstellungsgespräch über das Gespräch zur Festlegung von notwendiger Leistung bis hin zum Beurteilungsgespräch mit der Bandbreite vom Lob- und Beförderungsgespräch bis hin zur Entlassung. Alle Verkaufsgespräche – im Aufbau vergleichbar mit Führungsgesprächen – und allen Gesprächen im Team.

    Nur im direkten Gespräch lässt sich Mimik, Gestik und Körperhaltung erkennen und in das Gespräch einbeziehen. Hier kommt echtes Interesse am anderen (ein Teil von Empathie oder extrinsiche Kompetenz) zu seiner Entfaltung und nützlichen Wirkung auf das angestrebte, auch wirtschaftlich notwendige Ergebnis. In diesen Gesprächen – geleitet von einem behutsamen und trotzdem konsequenten Trainer. Ein guter Trainer lässt es nicht zu (unnötigen) Blamagen und Bloßstellungen kommen. Die TeilnehmerInnen lernen auch fast beiläufig, wie das geht, nämlich mit echtem Interesse am anderen.

    Dieser für den Erfolg unverzichtbare persönliche Gespräch wird wurde schon immer irgendwie umgangen, weil wir es nicht konnten/immer noch nicht können. Und jetzt kommen noch allerhand Web- und Internet-Methoden dazu, die uns glauben lassen, dass sie Ersatz sind für das, was wir fürchten – das durch nichts zu ersetzende persönliche Gespräch.

    Wenn wir es schaffen, beides sinnvoll miteinander zu verbinden – das persönliche Gespräch mit den elektronischen Mitteln von heute (MOODY gehört für mich zu den guten), dann …. ja dann würden wir das sinnvoll nutzen, was es an aktuellen (Hilfs-) Möglichkeiten gibt.

    Keine Zeit dafür, sich in die Lern- und Trainings-Situation „persönliches Gespräch“ zu begeben? Wir haben viele, viele Jahre die Schulbank gedrückt für alles das, was wir mit dem Neo-Kortex (der wache Verstand – das, was uns vom Tier unterscheidet) lernen können. Vieles geht davon in unser Unbewußtsein (limbisches System) und steht ständig unbewusst parat und ist in allen Lebenssituationen schneller als der klare Gedanke. Vieles haben wir so gelernt, auch das Autofahren. Wenn wir diese Fähigkeit nur mit dem wachen Verstand praktizierten, würde es ständig scheppern – oder schalten Sie Ihren wachen Verstand ein, wenn eine Ampel auf Rot springt oder wenn der Vorausfahrende eine Vollbremsung macht? Das Nachdenken darüber, was wir für derartige Situationen in der Fahrschule mit unserem wachen Verstand gelernt haben, kämme immer zu spät. Darum wird es die nur-elektronische Fahrschule nie geben. Und die „Fahrschule“ für Mitarbeiterinnen im Umgang mit anderen – das mit Methodik geführte persönliche Gespräch?

    Beste Grüße
    Karl Dilly

    • Reply Eva Ihnenfeldt 9. Oktober 2012 at 12:59

      Lieber Herr Dilly, endlich höre ich wieder mal von Ihnen – das ist aber schön! Ich muss unbedingt selbst mal als Teilnehmer so ein kooperatives E-Learning ausprobieren – bevor ich dsa nicht erlebt habe, kann ich nicht darüber urteilen – wissen Sie etwas? Ich suche immer Moodle für Trainer als Moodle-Modul – aber ich finde nichts!

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