Elisabeth Rosenetzki: Social Media Experteninterview mit Eva Ihnenfeldt

Eva Ihnenfeldt, Dr. Marie Huchthausen und Holger Rohde - Geschäftsführer der Business Academy Ruhr GmbH

Elisabeth Rosenetzki hat mich im Rahmen ihrer Masterarbeit im Studiengang Marketing & Sales ausführlich zu Social Media befragt – insbesondere in Hinblick zu Social Media Marketing in der Veranstaltungsbranche. Insgesamt haben wir tatsächlich 177 Minuten lang gesprochen, es war wirklich sehr interessant. Da Elisabeth äußerst akribisch meine Antworten schriftlich fixiert hat bringe ich es mal unverändert und in ganzer Länge: So also denke und spreche ich über Social Media!

Elisabeth Rosenetzki: In welchem Unternehmen sind Sie zur Zeit beruflich tätig?

Eva Ihnenfeldt: Business Academy Ruhr GmbH in Dortmund. Das Unternehmen berät, schult und coacht Unternehmen,

Eva Ihnenfeldt, Dr. Marie Huchthausen und Holger Rohde - Geschäftsführer der Business Academy Ruhr GmbH

Eva Ihnenfeldt, Dr. Marie Huchthausen und Holger Rohde – Geschäftsführer der Business Academy Ruhr GmbH

Organisationen und Selbstständige im sicheren Umgang mit Social Media Werkzeugen. 50-70 % unserer Teilnehmer kommen im speziellen Weiterbildungsauftrag ihres Unternehmens zu uns, den zweiten Teil machen Werbe- und PR-Agenturen aus, die ihr Leistungsportfolio erweitern möchten und der Rest sind Fach- und Führungskräfte, die ihre Karriere mit einer entsprechenden Zertifizierung vorantreiben wollen. In den Altersklassen 35+ bis 60 Jahren war jedermann schon dabei.

Welche Position haben Sie in diesem Unternehmen inne?

Mit meinen beiden Geschäftspartnern Holger Rhode und Marie Huchthausen bin ich Geschäftsführer und  -inhaber im Unternehmen.

Mit welchen Aufgaben sind Sie in Ihrem Unternehmen betraut?

Ich beschäftigte mich mit allen Themen des Marketings und trete als Dozentin und Coach in unseren Weiterbildungskursen zum Social Media Manager und Cross-Media-Redakteur sowie in Universitäten auf.

Bitte nennen Sie bis zu fünf Meilensteine in Ihrer Karriere die zeigen, wie Sie zum Thema Social Media gekommen sind.

Über 200 Social Media Manager mit IHK Zertifkat hat die Business Academy Ruhr bereits ausgebildet

Über 200 Social Media Manager mit IHK Zertifkat hat die Business Academy Ruhr bereits ausgebildet

2004 gründete ich eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer mit dem Ziel, diese bei Ihrer Unternehmensgründung ganzheitlich zu betreuen und unterstützen und als Auftragsvermittler zu agieren. Ohne finanzielle Mittel nutzte ich vor allem das Internet, um die Existenzgründer zu erreichen und eine Community aufzubauen. Dem Internet habe ich den Erfolg der Idee und die spätere Kooperation mit den Arbeitsagenturen zu verdanken, durch die wir unser Netzwerk weiter ausbauen konnten.

Nach meinem Ausstieg aus der Genossenschaft gründete ich 2008 die „Newsletter-Redaktion“, die sich auf webbasierte Kommunikation für Unternehmen in Blogs und E-Mail-Newsletter spezialisiert hat. Anfang 2011 brachte ich mit Yusuf Tombul, einem Unternehmensberater, im Rahmen einer GbR die Möglichkeit zur Weiterbildung zum Social Media Manager auf den Weg.

Später wurde die Ausbildung von der IHK in Bochum und Dortmund anerkannt. Nach dem Ausstieg Yusuf Tombuls konnte ich Holger Rhode unter der Voraussetzung der Umfirmierung zur GmbH für die Geschäftsführung im Mai 2012 gewinnen. Aus der Business Academy Dortmund wurde die Business Academy Ruhr. Im Oktober 2013 stieß auch Marie Huchthausen dazu. Seitdem bieten wir drei zusätzliche Kurse an.

Was macht Social Media für aus?

Social Media ist für mich die Erweiterung von authentischer dialogorientierter Kommunikation über das Internet. Alles was früher per Brief oder Telefon kommuniziert wurde, ist nun im Web möglich. Das ist eine absolute Kommunikationsrevolution. Sender und Empfänger agieren nicht mehr über- oder untergeordnet, sondern auf einer Ebene. Der sonst so „kleine“ Kunde kann selbst mit den großen Konzernen in einen Dialog treten. Quasi eine Demokratisierung von Kommunikation. Ähnlich einschneidend wie die Heranführung der normalen Leute an die Bibel durch Martin Luther.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie für Unternehmen in Social Media Bereich?

Die größten Chancen sehe ich in der kreativen und intelligenten Anwendung der AIDA-Formel und dem messbar machen der

Eva Ihnenfeldt vor Studenten

Eva Ihnenfeldt vor Studenten

Ergebnisse. Im Internet stehen den Unternehmen ganz neue Möglichkeiten zur Verfügung, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und das zielgerichtet bei Menschen, die möchten, dass bei ihnen Aufmerksamkeit erzeugt wird. Quasi vom Push- zum Pull-Marketing. Wenn ich also zunächst erreiche, dass mir jemand auf Facebook sein „Like“ schenkt, dann bedeutet das noch gar nichts. Dann muss ich weiter überlegen, wie ich sein Interesse wecke und mit Hilfe von Empathie einen Wunsch auslöse und zum Kaufabschluss komme.

Die größte Sorge von Unternehmen sind sogenannte Shitstorms. Im Prinzip das Niederprasseln negativer Kritik am Unternehmen, seinen Produkten oder Services. In dem Moment, in dem sich Unternehmen gegen Social Media entscheiden, geben sie „ihr Revier“ einfach frei. Die Abwesenheit des Unternehmens bedeutet jedoch nicht, dass keiner mehr darüber spricht. Dadurch sind Unternehmen einem Shitstorm erst recht schutzlos ausgeliefert. Nur wenn ich teilhabe und zuhöre kann ich dem entgegenwirken.

Das zweite Risiko, dass häufig vorgebracht wird ist der Zeitaufwand und damit gleichzusetzen mit Kosten, denn Zeit ist Geld. Obwohl bereits 40 % der Unternehmen wissen, dass sie eine Social Media Strategie benötigen, werden vor allem in kleinen Unternehmen nicht genügend Ressourcen an Know-how, Arbeitszeit und Budget zur Verfügung gestellt. Dabei würde 1-2 Stunden Social Media Arbeit am Tag häufig ausreichen. Wenn man dann mal sieht, wie viel Geld für Radio-, Fernseh- und Zeitungswerbung oder allein noch für das Versenden von Briefen ausgegeben wird, fällt Social Media dagegen ab, obwohl Social Media viel wirkungsvoller ist.

Wenn ich nichts investiere, kann ich auch nicht erwarten, dass es gut wird und das schadet dem Ruf mehr, als dass es dem Unternehmen hilft. Nur wenige Social Media Manager sind wirklich ausgebildet, obwohl sie in ihrer Tätigkeit das Unternehmen im gesamten Internet darstellen. Sie sind der Puffer zwischen dem Unternehmen und der Gesellschaft, zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern und brauchen dafür ein breites Kreuz oder sind Wunderkinder.

Des Weiteren besteht ein rechtliches Risiko bei der Verbreitung von Fotos und ähnlichem durch das Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht etc. Die Gesetzgebung hinkt der Entwicklung hinterher. So gibt es viele ungeklärte Sachverhalte wie z. B. Fürsorgepflicht gegenüber dem Verbraucher. Was mache ich mit persönlichen Daten von Nutzern, die etwas auf meiner Fanpage posten, womit sie sich selbst schaden könnten und meinen auf vertraulicher Basis mit mir kommuniziert zu haben, obwohl ihr Beitrag für jedermann sichtbar ist. Muss ich solche Beiträge löschen usw. Facebook ist aus meiner Sicht mit deutschem Recht nicht vereinbar, vor allem hinsichtlich des Datenschutzes.

Ein drittes Risiko sehe ich darin, dass viele Unternehmen ganz schnell bei Facebook sind und damit meinen Social Media zu betreiben und das ohne Zielsetzung, Strategie und Netzwerke. Dann kann daraus womöglich nur Katzencontent entstehen.

Was steckt denn hinter dem Begriff „Katzencontent“?

Das Web liebt Katzencontent - vielleicht weil Katzen so eigenwillig sind?

Das Web liebt Katzencontent – vielleicht weil Katzen so eigenwillig sind?

Das bezeichnet im Prinzip die Planlosigkeit der Unternehmen wirklich wertvolle Inhalte einzubringen. Denn selbst wenn Menschen nicht wissen, was sie posten sollen nutzen sie Katzenbilder, denn die werden immer noch am häufigsten gelikt. Keine Hunde, keine Pferde – das Web liebt Katzen.

Welche Vorgehensweise empfehlen Sie Neulingen für die Einführung von Social Media im Unternehmen?

Eine Strategie! Allein solch banale Aspekte wie die Namensgebung eines Blogs, des YouTube-Kanals oder des Twitter-Accounts müssen vorher bedacht und festgelegt werden, denn sie spielen bei der Suchmaschinenoptimierung über Google eine wichtige Rolle und sind im Nachhinein schwer änderbar. Man sollte nicht mit Social Media starten, bevor nicht ein bewusst durchdachter Marketingplan steht. Dazu gehört es Ziele festzulegen, Zielgruppen zu definieren, den USP auszuarbeiten, eine Strategie zu entwickeln, die Botschaft zu formulieren und Maßnahmen zu planen.

Unsere Kursteilnehmer müssen neben dem Unterricht immer eine individuelle Strategie entwickeln, das heißt auch, dass sie zu Beginn eine nüchterne Auflistung der Ist-Situation machen müssen. Ich vergleiche das gerne mit der Medizin: Anamnese – Diagnose – Therapie.

Wie optimieren Sie bereits bestehende, aber schlecht frequentierte Social Media Auftritte?

Häufig bringen Unternehmen schlecht frequentierte Facebook-Auftritte als Argument vor, nicht weiter investieren zu wollen, weil es

Konzerte sollten im Social Web immer sorgfältig begleitet werden

Konzerte sollten im Social Web immer sorgfältig begleitet werden

ja eh nichts bringen würde. Doch als Unternehmen bin ich selbst in der Verantwortung und kann mich nicht darüber beschweren, dass etwas von mir schlecht Gemachtes auch schlecht läuft.

Wenn ich als Konzertveranstalter Künstler anbiete, die niemand sehen möchte, dann kann ich im Nachhinein nicht schimpfen, dass niemand Tickets kauft. Dann muss ein Veranstaltungsunternehmen ebenso sein Sortiment anpassen wie ein Kioskbesitzer. Schuld sind nie die Kunden, die Fans oder die Follower, sondern immer die Unternehmen selbst.

Sie sollten sich daher zunächst selbst reflektieren, Einsicht und Bereitschaft für Veränderungen aufzeigen. Das ist die Grundvoraussetzung für die Optimierung schlecht frequentierter Unternehmensauftritte im Social Media. Ich bin der Meinung, dass man jedes Unternehmen retten kann, außer es ist hoffnungslos verschuldet!

Welche Social Media Plattformen sehen Sie aktuell und zukünftig als Vorreiter oder Rückläufer und warum?

Welches Netzwerk wird noch lange leben? Welches wird es morgen schon nicht mehr geben?

Welches Netzwerk wird noch lange leben? Welches wird es morgen schon nicht mehr geben?

Herzstück jeder Social Media Aktivität ist für mich immer ein Blog, denn alle anderen Anwendungen kommen und gehen, aber ein Blog ist meine eigene Social Media Plattform. Damit kann ich viele andere Accounts wie Twitter, Facebook und Google+ synchronisieren. Wenn ich einen Blog habe, dann kann ich auch alle anderen Trends und Entwicklungen mitmachen. Außerdem sind neben Blogs nur noch YouTube und selbstverständlich Google+ für Suchmaschinenabfragen bei Google relevant.

Bis auf einen Account findet man in Google nichts von Facebook, Twitter & Co. Google sollte immer als Maßstab für die Relevanz von Social Media Plattformen angenommen werden. Ein Unternehmen muss zunächst einmal gefunden werden und Nutzer geben i. d. R. keine genauen Bezeichnungen ein, sondern Stichworte.

Ein Blog ist unkompliziert und einfach zu pflegen. Bei YouTube sehe ich wiederum die Schwierigkeit den Anspruch meiner Marke und meines Unternehmens in die Erstellung meiner Videos einzubringen – und ständig neue Videos zu produzieren ist irre teuer. An Wichtigkeit gewinnen auch ganz stark Blogger Relations. Facebook sehe ich wiederum  im E-Commerce. Von hier aus kann ich direkte Kauffunktionen einführen. Twitter ist bei Influencern und Multiplikatoren wichtig.

Als Rückläufer würde ich Facebook bezeichnen, was gerade bei jungen Menschen häufig von WhatsApp abgelöst wird. Viele möchten der Öffentlichkeit nicht mehr schutzlos ausgeliefert sein oder weiterhin unter der Beobachtung der Eltern stehen. Außerdem halte ich die Funktionsweise der Facebook-Chronik für fragwürdig, wenn alte Beiträge wieder ganz oben erscheinen, weil sie wieder neu gelikt oder kommentiert wurden. Bei WhatsApp hat man eine vernünftige Chronologie, kann in Gruppen kommunizieren, Videos und Fotos teilen und das alles ohne Spam.

E-Mails sehe ich ebenso als rückläufig, denn sie sind unzuverlässig und überaltet. Wichtige E-Mails landen aus unerklärlichen Gründen automatisch im Spam-Ordner. Wir brauchen eine vernünftige elektronische Post, gerne auch kostenpflichtig, aber nicht so teuer. Für ein E-Book entscheiden sich Kunden ja auch eher wenn sie weniger zahlen als für die gedruckte Printversion.

Viele Unternehmen nutzen schon Facebook. Welche Tipps und Tricks wenden Sie an, um Unternehmensauftritte bekannter zu machen, die Attraktivität der Einträge zu steigern und mehr Fans zu gewinnen?

Wenn es einem Unternehmen tatsächlich nur auf die Anzahl der Fans ankommt, dann ist die einfachste, schnellste und billigste

Facebook Fans kaufen? Naja...

Facebook Fans kaufen? Naja…

Möglichkeit, sie sich zu kaufen. 25 Likes von ausländischen „Fans“ kann man schon für 3,25 € bekommen, 1.000 gibt es für 75 €. Ist natürlich betrügerisch. Man sollte dann auf jeden Fall darauf achten, dass nicht mehr als 30 % gekauft sind.

Eine nächste Möglichkeit sind Gewinnspiele, die i. d. R. gut ankommen oder die sogenannten Sponsored Stories, über die Unternehmen wirkungsvolle Werbung schalten können. Die vierte Möglichkeit sehe ich darin, Fans und Freunde um den Gefallen zu bitten, ihrerseits Freunde einzuladen, die die Seite liken sollen. Was allerdings auch nicht im Sinne von authentischer Social Media ist.

Wenn ich als Unternehmen wirklich interessierte Fans gewinnen möchte, muss ich meine Beiträge attraktiv gestalten und überlegen, wonach sich meine Fans sehnen und was ich tun kann, um diese Sehnsucht zu erfüllen. Viele Leute liken eine Seite und das war‘s. Von nichts kommt auch nichts. Durch die Anwendung der AIDA-Formel biete ich meinen Fans einen Mehrwert. Stichworte sind hier Kreativität und emotionale Intelligenz, nicht zwangsläufig finanzielles Budget.

Die Bekanntheit kann vor allem über die ganzheitliche Nutzung aller Kommunikationskanäle gesteigert werden. Den Facebook-Link gut sichtbar auf der Website platzieren, in der E-Mail-Signatur, auf Kärtchen, die verteilt werden uvm; dabei jedoch immer eine gute Usability beachten. So greifen alle Kommunikationskanäle ineinander.

Die Messbarkeit von Social Media Maßnahmen bleibt in der Literatur strittig. Gibt es aus Ihrer Sicht Kennzahlen und Systeme, die grundlegend Anwendung finden? Welche sind das?

Jeder fragt nach dem ROI, aber im Internet kann ich alles sehr gut sehen und messen. Das fängt klein an, wenn ich den Firmenname bei Google eingebe und zählen kann, wie das Unternehmen gelistet ist. Ich kann sehen, wie hoch die Interaktivität auf meiner Website und in sozialen Netzwerken ist. Ich kann Sales und Leads generieren und messen.

Wo kann ich bei klassischen Medien so einfach den ROI messen? Im Internet ist alles enorm offen und transparent. Am interessantesten ist der Traffic auf der firmeneigenen Website als eigentliches Verkaufsinstrument. Unter der Anwendung von Google Analytics kann man so erfahren, wie die Maßnahmen im Social Web den Traffic auf der Website erhöhen. Facebook ist nach Google meist die zweitwichtigste Quelle, durch die Traffic erzeugt wird.

Außerdem können Leads und Sales messbar gemacht werden, um die durch Social Media generierten Verkäufe zu erkennen. Da Einfluss eine wichtige Messegröße darstellt,  ist der Klout-Wert der Akteure eine zwar umstrittene, aber aussagekräftige Kennzahl. Ansonsten gibt es zahlreiche Statistik-Tools wie z. B. Social Mention, Google Alerts und Hootsuite. Facebook-Statistiken sind dagegen weniger interessant als man denkt.

Sehen Sie Social Media Monitoring als nützliches Werkzeug der Kontrolle an?

Absolut, so ist Social Media Marketing ohne Google Analytics oder vergleichbare Tools fast schon sinnlos. Wer das nicht berücksichtigt, der hat im Prinzip das kleine 1x1s nicht verstanden. Google Analytics ist kostenlos und wenig arbeitsintensiv.

Würden Sie den Einsatz von Monitoring-Tools auch unbekannten Kleinstunternehmen empfehlen?

SteadyNews Traffic Statistik

Google Alerts als Tool habe ich zuvor schon angesprochen, auch wenn die Qualität dort stark abnimmt. Bei Kleinstunternehmen, die zudem innerhalb der Branche eher im Hintergrund der Ereignisse stehen, empfehle ich die Kontrolle jedoch manuell über die Google Suche. Außerdem sollte jedes Unternehmen für sich festlegen, welche Kennzahlen überhaupt wichtig sind und erst im nächsten Schritt die entsprechenden Tools auswählen.

In der Veranstaltungsbranche könnte es bspw. von Interesse sein, wie viel und wo über einen Künstler zwei Wochen vor dem Konzert gesprochen wird. Natürlich kann sich auch eine Konzertagentur bewusst als Marke sichtbar machen, aber  warum sie sich zu diesem strategischem Schritt entscheiden sollte, weiß ich so spontan nicht.

Stellte Social Media für Unternehmen einen neuartigen Kanal der Unternehmenskommunikation nach außen dar, oder reihen sich diese Maßnahmen in das Push-Marketing ein?

Zu Beginn sagte ich ja schon, dass wir eine Wandlung vom Push- zum Pull-Marketing haben. Unternehmen müssen wissen, wie relevant das Internet als Verkaufsplattform für sie ist. In der Veranstaltungsbranche müsste das Internet doch der entscheidende Sales-Punkt sein. Und dann sollte das Internet und Social Media auch schwerpunktmäßig wichtigster Kommunikationskanal werden.  Zeitungen gehen zwar enorm zurück, aber wenn man eine 60+ Zielgruppe ansprechen möchte, dann eignen sich auch klassische Medien noch gut. Man kann sagen, je relevanter das Internet für den Verkauf ist, umso unabdingbarer ist Social Media.

An welche Grenzen stoßen Unternehmen in der heutigen Zeit mit klassischen Medien wie Print-, Funk-, Fernseh- und Online-Werbung sowie PR und Öffentlichkeitsarbeit und wie können diese mit Hilfe von Social Media durchbrochen werden?

Unter Berücksichtigung des veränderten Konsumverhaltens und der Usability für den Kunden verlagern sich Konsum und Kommunikation immer mehr ins Internet. Selbst die Technik von sogenannten Smart-TVs, mit denen man im Internet surfen kann, ist noch lange nicht derart ausgereift. Nach meiner Erfahrung setzen sich die Menschen lieber vor ihren PC, zumal viele schon keinen Fernseher mehr haben.

Freizeitinhalte werden im Internet konsumiert. Sobald die Bildschirmtechnik für Computer so ausgereift ist, dass sie mit einem TV mithalten kann, wird es wohl keine Fernseher mehr geben. Selbst TV-Sender setzen auf Social Media wie bspw. ProSieben mit den ProSieben Games oder ProSieben Connect.

Einfach gesagt, gibt es nur noch das Offline-Leben und das Online-Leben. Im Offline-Leben trifft man sich noch real mit seinen Freunden oder telefoniert miteinander. Alles andere ist dann schon Social Media, vor allem möglich durch Mobile Marketing, das Smartphone, das beide „Leben“ miteinander verknüpft.

Welche Entwicklungen im Empfehlungs- und Viral-Marketing sehen Sie insbesondere durch Social Media?

Im Empfehlungsmarketing geht es viel um Bewertungen und das ist besonders wichtig. Nachdem man Kundenzufriedenheit erreicht hat, besteht die nächste Aufgabe darin, diese auch sichtbar zu machen und Kunden zusätzlich noch zu Empfehlern zu machen. Viele und auch große Unternehmen setzten in der Vergangenheit auf gekaufte Testberichte, aber meiner Meinung nach wurde dieses Tal überwunden und Empfehlungsmarketing kann jetzt in eine vernünftige Form gebracht werden. Das dieses Thema wichtig ist und Kunden ihre Kaufentscheidung vor allem über Empfehlungen treffen, das weiß mittlerweile jeder.

Viral verbreiten sich Inhalte aber nur, wenn sie emotional auf fruchtbaren Boden stoßen. Inhalte die empören, Mitgefühl erzeugen, überraschen oder zum Lachen bringen, wobei erstere für Unternehmen nicht zur Lösungsfindung beitragen sollten. Viral etwas in Gang zu setzen ist nicht so einfach und kann nur bedingt geplant,  gesteuert oder kontrolliert werden. Das steht dann wiederum in Konkurrenz zu privaten YouTube-Nutzern, die einen Vertrauens- und Sympathievorschuss in ihrer Community haben und selbst lustige Videos hochladen. Unternehmen haben es da i. d. R. schwer.

Können erfolgreiche Social Media Maßnahmen auch mit minimalen Marketing-Budgets umgesetzt werden? Wozu raten Sie?

Ja. Wenn täglich  zwei Stunden dazu genutzt werden, das entwickelte Social Media Marketing Konzept umzusetzen, dann reicht das bei Kleinstunternehmen völlig und sprengt kein Budget. Dafür muss nicht gleich unbedingt eine neue Stelle geschaffen werden. Hier macht es sowieso am meisten Sinn, wenn sich der Chef oder die Chefin selbst darum kümmert. Sie tragen das unternehmerische Risiko, haben aber gleichzeitig auch ein unternehmerisches Interesse daran und sollten als Entscheider sowieso mit einem Ohr beim Kunden sein. Es muss nur erst einmal Zeit für Brainstorming, Analyse und Konzeption da sein.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten ein Unternehmen der Veranstaltungsbranche beraten. Welche Social Media Plattformen würden Sie einem Konzertveranstalter empfehlen und wie können diese zusammengreifen?

In jedem Fall die Google relevanten Plattformen. Ansonsten kann ich das so pauschal  nicht beantworten. Da muss individuell geprüft werden wer die Zielgruppe ist, sind es wirklich die Endkunden oder doch eher die Künstler oder gibt es noch ganz andere Interessensgruppen, die aus der bisherigen Betrachtung rausgefallen sind.

Was sind das für Konzerte und wo finden sie statt, welches Genre bedienen sie usw. In der Klassik kann ich mir YouTube wegend er

Tickets zur Social Media Konferenz BarSession - alle 2 Monate in Dortmund - sind dank der Webkommunikation häufig schnell vergriffen

Tickets zur Social Media Konferenz BarSession – alle 2 Monate in Dortmund – sind dank der Webkommunikation häufig schnell vergriffen

harten GEMA Barrieren nur schwer vorstellen. Aber die Social Media Plattformen greifen durch Synchronisierung und ähnliches ganz einfach zusammen. Selbst klassische Medien und Social Media werden häufiger miteinander verbunden z. B. über QR-Codes und die Möglichkeiten, die ein Smartphone bietet.

Wenn man davon ausgeht, dass Kunden die Tickets wegen der Künstler kaufen und nicht wegen des Veranstaltungsunternehmens, dann fällt es hier schwer Kundenbindung aufzubauen. Und durch die Vielfalt und -zahl an Veranstaltungen lassen sich nur branchenübergreifende Zielgruppen abgrenzen, nicht aber eine allgemein verbindliche Zielgruppe.

Lassen sich die Ticketverkäufe mit Hilfe von Social Media trotzdem steigern? Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?

Kundenbindung kann sicher auch in dieser Branche aufgebaut werden, aber es muss wieder zunächst analysiert werden, wer meine Kunden- und Zielgruppen sind. Und wenn ich mir Festivals wie Wacken anschaue, dann besteht hier bestimmt die Möglichkeit auch vom Veranstalter aus Kundenbindung zu betreiben: einmal Wacken, immer Wacken. Die Besucher ändern ja nicht einfach ihren Musikgeschmack und möchten vielleicht auch als Familienväter und -mütter noch zum Festival kommen. Wenn man als Veranstalter auf solche Bedürfnisse eingeht, dann kann auch hier Kundenbindung aufgebaut werden.

Möglicherweise ist in der Veranstaltungsbranche nicht der Endverbraucher die eigentliche Zielgruppe, sondern Multiplikatoren, Influencer oder Stakeholder. Vielleicht ist es auch der Künstler selbst, auf den ich mich konzentrieren sollte. Wenn ich als Veranstalter zu den Künstlern oder dem Management eine Bindung aufbauen kann, können meine Konzerte über deren Social Media Kanäle promotet werden. Ob die Kunden die Tickets dann über deren Seite kaufen, oder über meine, ist doch eher zweitrangig. Eine rein vertriebsorientierte Sichtweise funktioniert in Social Media jedoch nicht. Ohne Kreativität und emotionale Intelligenz werden viele Unternehmen in Zukunft pleite gehen.

Inwiefern ließe sich Social Media als Kanal der Unternehmenskommunikation nach außen auch für die Veranstaltungsunternehmen integrieren?

Ich würde nach dem Motto handeln: Viel hilft viel. Um Konzerte bekannt zu machen würde ich jedes Medium und jeden Kanal nutzen, um einen Wiederholungseffekt wie bei einer Plakatierung zu erzeugen. Und auch wenn ich kein Fürsprecher für den Einkauf von Fans und die automatische Generierung von Followern bin, würde ich das an dieser Stelle doch überdenken, denn so verbreiten sich die Informationen schneller und die Reichweite erhöht sich.

Außerdem würde ich auf Google AdWords setzen. Das kann je nach Bekanntheit des Künstlers zwar teuer werden, aber ein vierstelliger Betrag sollte monatlich ganz sicher in kostenpflichtige Werbung wie AdWords und Facebook Sponsored Stories investiert werden. Viel kurzen und vor allem emotionalen Content in Social Media wie z. B. „welche Unterhose trägt der Künstler heute“. 😉

Elisabeth RosenetzkiDas Interview führte
Elisabeth Rosenetzki
Tel. +49 (0) 176.70 81 31 81
E-Mail: [email protected]

 

2 thoughts on “Elisabeth Rosenetzki: Social Media Experteninterview mit Eva Ihnenfeldt

  • Reply Ute Korinth 10. Dezember 2013 at 12:48

    Tolles Interview mit vielen wichtigen Informationen! Ich würde allerdings noch hinzufügen, dass es wichtig ist, Konzerte in den passenden Web-Communities zu posten und Personen mit besonders vielen Kontakten im betreffenden Bereich (je nach Musikgenre) zu kontaktieren und zum Teil sogar gezielt zu bitten, eine Veranstaltung zu teilen. Das funktioniert in der Regel hervorragend. Über die Seite des Konzertveranstalters selbst macht es Sinn, die Fans mit Gewinnspielen etc. zu binden, sodass sie wiederkommen und so auch weitere Veranstaltungen entdecken, die sie gern besuchen möchten. Normalerweise wissen sie dann nach einer Weile, dass dieser Konzertveranstalter immer wieder mal Konzerte anbietet, die ihrem Interesse entsprechen und verbreiten diese Info bzw. schauen öfter nach Neuigkeiten.

    • Reply Eva Ihnenfeldt 10. Dezember 2013 at 13:06

      Danke liebe Ute,
      ja das kann ich mir denken, da gibt es sicher noch viel Möglichkeiten die ich gar nicht kenne bzw. verstehe! Danke für Deine Tipps aus Expertensicht, das wird Elisabeth Rosenentzki sicher freuen und ihr weiterhelfen.

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