In den USA wird es bereits ausgerollt: Google Shopping kombiniert rund 45 Milliarden Produkteinträge aus dem bildbasierten Google-Anzeigendienst mit dem konzerneigenen KI-Programm Gemini. Suchende können dem KI-Chatbot Gemini Fragen stellen wie „Ich bin auf einer Hochzeit eingeladen. Was soll ich dort am besten anziehen?“. Gemini kann weiterführende Informationen geben für den Anlass, kann aber auch – falls der Nutzende es wünscht – das bisherige Kaufverhalten bei der Auswahl passender Produktvorschläge mit einbeziehen. Auch virtuelle Anproben ermöglicht das transformierte Google-Shopping Tool. Was ich mich nun frage: Wenn der eigentliche Shoppinggenuss immer weiter wegfällt, weil wir alles online erledigen, was machen wir dann mit unserer Freizeit? Und welche psychologischen Folgen hat der kommerzielle „Wunscherfüllungs-Wunderbaum“?
Shoppen aus Langeweile und Erlebnishunger
Gestern hatte ich einen freien Tag. Ich fuhr in eine nahe gelegene Großstadt (Essen) und suchte nach etwas Schönem zum Anziehen. Shoppen bedeutet für mich, Kontakt mit fremden Menschen zu bekommen, mich in Umkleidekabinen neugierig zu verkleiden, bei zehn Produkten in der Anprobe von mindestens acht Produkten enttäuscht zu sein und an der Kasse bei „echten Menschen“ zu bezahlen. Zum Abschluss der Verwöhntour trinke ich dann gern noch irgendwo einen Kaffee mit der gefüllten Shoppingtüte neben mir.
Shoppen ist so etwas wie ein Kurzurlaub. Man lernt fremde Stores kennen, staunt über modische Neuigkeiten, traut sich im Schutz der Umkleidekabine gewagte Experimente, als wäre man Kandidatin bei Shopping-Queen. Viele Menschen gehen am liebsten zu zweit shoppen – andere genießen es, allein so einen Shoppingtag zu genießen. So eine bin ich.
Offline oder online shoppen?
Gestern in Essen hatte ich vor, einen langen schwarzen Rock für meine neuen Plateau-Stiefeletten zu finden. Doch so sehr ich auch die Stores durchforstete, ich fand keine angesagten Markenröcke wie noch vor Monaten oder gar Jahren. Hosen gibt es in Hülle und Fülle (weil man diese einfach anprobieren muss) doch Röcke kann man schließlich auch online kaufen.
Warum sollten Händler und Marken die teuren Kosten für Verkaufsflächen in Kauf nehmen, wenn die Besucher doch nur anprobieren – und dann preisgünstiger im Web kaufen? Auch Sneaker zum Beispiel gibt es zwar noch, doch kann man sie oft nur noch mit Beratung anprobieren, da sie ansonsten anprobiert – aber anschließend online mit Preisvergleich gekauft werden.
Selbstverständlich betrifft das Offline-Shopping-Drama nicht nur Kleidung und Schuhe, sondern auch alle anderen Produkte wie Elektronik, Wohnaccessoires, Spielzeug, Küchengeräte, Bücher… Die Menschen lieben es, in Geschäften Produkte zu vergleichen und auszuprobieren – „doch gegessen – sprich gekauft – wird zu Hause“
Zeit für Google KI-Shopping
Wie wir alle wissen, basiert das Geschäftsmodell von Alphabet (dem Google Mutterkonzern) weiterhin überwiegend auf dem Anzeigenverkauf bei Google Search und YouTube. Man könnte auch sagen, dass sämtliche Produkte des Digital-Konzerns letztendlich den Zweck verfolgen, noch erfolgreicher beim Verkauf von Werbung zu werden – und aufkommende Konkurrenten im Keim zu ersticken.
Alphabet-Quartalszahlen 2/24
Die Idee, Händler in Google-Shopping mit Anzeigen zu zwingen, da Käufe zukünftig nur noch online passieren, ist aus Alphabet-Sicht genial. Gemini als intelligenter Sprachassistent, der den Kaufsehnsüchtigen besser kennt als dieser sich selbst, kann aus den unzähligen Angeboten (die wahrscheinlich größtenteils auf dem Müll/im Recycling landen, bevor sie verkauft werden konnten) genau das Beste heraussuchen für den Suchenden und dessen finanzielles Budget. Da wird wohl unser kleiner Sprach-Assistent noch mehr zum besten Freund und klügsten Style-Berater.
Vereinsamen im Schlaraffenland
Werden wir mehr und mehr vereinsamen, da es immer weniger Gründe gibt, die heimische Zelle zu verlassen? Können Wochenend-Ausflüge und Kurzurlaube das gute alte Shopping ersetzen? Werden wir bald erschreckt reagieren, wenn wir irgendwo fremde Menschen sehen, weil wir nichts mehr gewöhnt sind? Lebensmittel kann man ja – zumindest in Städten – auch schon online bestellen und liefern lassen!
Ich werde dann wohl auf Museumsbesuche umsatteln, auf Lesungen, Workshops, kulturelle Veranstaltungen und auf Trödelmärkte. Es ist, wie es ist – doch auf Begegnungen mit fremden Menschen werde ich freiwillig nie verzichten. Da fällt mir schon noch genug ein…
Goolge-Shopping mit KI Unterstützung: In Deutschland Ende Oktober 2024 noch nicht verfügbar (aber sicher bald…)
Ich finde den Artikel echt spannend! Das Thema Google Shopping mit KI-Unterstützung wirft viele interessante Fragen auf. Ich kann mich der Autorin nur anschließen, wenn sie über die möglichen psychologischen Folgen des Online-Shoppings nachdenkt. Es ist schon verrückt, wie viel persönlicher Kontakt und echte Erlebnisse verloren gehen, wenn wir alles nur noch mit einem Klick erledigen können.
Ich liebe es, durch Geschäfte zu schlendern, neue Dinge zu entdecken und mich inspirieren zu lassen. Der Austausch mit Verkäufern und anderen Kunden ist für mich ein wichtiger Teil des Einkaufserlebnisses. Ich mache oft kleine Ausflüge in die Stadt, um einfach die Atmosphäre aufzusaugen. Wenn das alles zunehmend ins Digitale verlagert wird, frage ich mich, wo das hinführt. Werde ich bald in einem Schlaraffenland der Produkte leben, aber keine echten Menschen mehr um mich herum haben?
Ich kann auch schon sehen, wie viele Leute auf die Idee kommen werden, ihre sozialen Kontakte durch kulturelle Veranstaltungen oder Hobbys auszugleichen, wie die Autorin vorgeschlagen hat. Vielleicht werden wir uns einfach umso mehr bemühen, diese Begegnungen in unserem Leben zu schaffen, um das digitale Shopping nicht zur Norm werden zu lassen. In einer Welt voller virtueller Shopping-Assistenten kann der persönliche Kontakt umso wertvoller werden!
Habe gerade gelesen, dass Depressionen schon „Volkskrankheit Nr. 1“ sind in Deutschland. Überhaupt haben sich chronische Krankheiten seit 1955 sehr gesteigert. Ich bin überzeugt davon, dass ein glücklicher, sinnerfüllter Mensch gesünder ist als ein trauriger Mensch. Der Mensch braucht zum Leben die Befriedigung der Grundbedürfnisse, Sinn und genügend soziale Kontakte. Shopping- und Begegnungscenter und ein lebendiges Cityleben mit Treffpunkten für die vielen Singles sooo wichtig! Und „Jugendzentren“ für alle Altersklassen, gerade auch für Senioren. Soziale Kontakte sind das A & O – auch beim Bummeln aus hedonistischer Freude am Finden…