Der Philosoph und Autor Richard David Precht wird nicht müde, immer wieder darauf aufmerksam zu machen, dass wir Menschen uns auf eine Zeit ohne ausreichend vorhandene Arbeit vorbereiten müssen. Und diese Zeit wird wohl sehr schnell kommen, denn die technologische Entwicklung wird immer schneller. Was wird passieren, wenn Menschen nicht mehr gebraucht werden, um Tätigkeiten zu verrichten, die in irgendeiner Form mit „Mustererkennung“ zu tun haben? Werden wir in einer Art Riesen-Versailles durch unsere Tage schlendern und uns mit Konsum von Medien und Marken vergnügen?
Wird der Mensch an sich obsolet?
Werden wir schrumpfen auf die Anzahl von ausgebildeten Menschen, die gebraucht wird, um den „Künstliche-Intelligenz-Jurrassic-Park“ zu bedienen? Wozu soll es noch Menschen geben, wenn sie sich nicht durch Effizienz und Arbeitskraft definieren? Warum sollte man ihnen ein großzügig bemessenes Portemonnaie zur Verfügung stellen, damit Konsumartikel hergestellt, weiterentwickelt und verkauft werden können? Und wer überhaupt ist „man“?
Bedingungsloses Grundeinkommen für Konsumenten?
Der Roman „Ready Player One“ (Filmstart in Deutschland Anfang April 2018) spielt im Jahr 2044 . Dort ist das „echte“ Leben in den USA unerträglich geworden und die Menschen flüchten sich komplett in die virtuelle Realität und spielen irgendwelche Phantasie-Rollen, während ihre Körper in Virtual-Reality-Sesseln kleben. Könnte das ein möglicher Ausweg sein, wenn wir Menschen nicht mehr gebraucht werden? Doch wer soll das bezahlen? Und warum?
Ist unsere Rolle als Konsument wirklich so wertvoll, dass wir mit dieser Funktion unser Überleben sichern können? Das ist doch absurd oder? Was passiert, wenn das Produktionsmittel Mensch in der Masse nicht mehr benötigt wird? Können wir uns wirklich einbilden, wir alle sind „Versailles-Insassen“, die sich mit Vergnügungen ein süßes Leben gönnen? Und die achselzuckend hinnehmen, dass außerhalb ihrer Wohlstands-Mauern ein Überlebenskampf tobt, der letztendlich die Menschheit so weit reduziert, dass wir (natürlich „wir“, wir Westler) die reichhaltigen Segen der technologischen Entwicklung genießen können?
Künstler, Gamer und Ehrenamtliche?
Ich kann nur Jedem raten, nicht an so eine Konsum-Zirkuswelt zu glauben. Kommt mir vor wie bei Pinocchio, wo die vergnügungssüchtigen Kinder letztendlich in Esel verwandelt wurden. Der Glaube an ein „bedingungsloses Grundeinkommen“, das uns alle in Künstler, Gamer und Ehreamtler verwandelt, erscheint mir lächerlich. Die neoliberale Weltordnung ist schließlich keine Weltverbesserungsmaschinerie, hinter der die Vision „Möge es allen fühlenden Wesen gutgehen“ steckt.
Natürlich können wir uns vertrauensvoll der Illusion hingeben, dass es nicht im Interesse eines funktionierenden Systems ist, Aufruhr und Revolution zu provozieren. Wenn man dem „Mob“ genügend Mittel an die Hand gibt, sich mit Brot und Spielen zu vergnügen, kann die zerstörerische Revolte vielleicht im Zaum gehalten werden. Doch wollen wir tatsächlich als Abhängige von wem auch immer existieren, und uns Monat für Monat über ein unverdientes Taschengeld freuen?
Ausweg Selbstständigkeit?
Vielleicht ist es wirklich nicht so schlecht, sich selbstständig zu machen und dadurch gezwungen zu sein, sich immer wieder neu zu erfinden und neue Ideen umzusetzen. Nach der Finanzkrise in den USA haben sich viele Manager, Verwaltungsangestellte und Betriebswirte selbstständig gemacht, da sie plötzlich obsolet waren – und ihre privaten Rentenversicherungen waren auch futsch. Alles auf Null – ok, dann müssen wir uns eben was einfallen lassen.
Niemand soll betteln müssen
Ich bin absoluter Verfechter der sozialen Marktwirtschaft, auch wenn sie seit der Hartz-Reformen 2004 immer weiter ausgehöhlt wird. Niemand soll existenzielle Angst haben, und niemand soll wegen Armut gedemütigt und sanktioniert werden. Niemand soll zur Tafel gehen müssen, niemand soll betteln müssen. Doch auch in sehr sozialen Systemen bleibt Abhängigkeit Abhängigkeit, wenn der Handel zwischen Leistung und Gegenleistung nicht ausgeglichen ist. Ich mag das bedingungslose Grundeinkommen nicht, ich mag fairen Handel, auf den alle Beteiligten stolz sind – bei dem sich alle Parteien zufrieden die Hände schütteln können.
Stolz auf die eigene Arbeit
Selbstständig zu sein, ist oft genug schwer und und birgt permanente Gefahren in sich. Doch die Würde bleibt erhalten, wenn man handelt mit dem, was man geben kann. Jeder Mensch hat etwas Unersetzliches und Einzigartiges, mit dem er die Welt bereichern kann. Es lässt sich gut schlafen, wenn man stolz ist auf das, was man tut. Der Stolz auf die eigene Arbeit ist wertvoller als jeder Luxus.
Ich erlebe viele Angestellte, die genau dieses Gefühl schmerzlich vermissen. Ihr Jammern und Klagen beruht meist darauf, dass sie den Sinn ihrer Arbeit nicht erkennen können – und dass ihnen Anerkennung für ihre Leistung fehlt. Ich weiß, dass zurzeit nicht erwünscht ist, dass Menschen sich selbstständig machen. Fördermittel für Gründungen aus der Arbeitslosigkeit gibt es nur noch als „Kann“-Leistung – und diese Fördermittel sind so gering, dass sich die Beantragung kaum lohnt.
Existenzgründungen sind keine StartUps
Zwar werden StartUps überall gehypt, doch das erinnert mehr an Castingshows als an Existenzgründungen. Junge Menschen werden gelockt mit der Aussicht auf Geld und Ruhm. Mit der Vision von Unabhängigkeit und Sinn hat das meist wenig zu tun. Rund 90 Prozent der StartUps verschwinden nach kurzer Zeit wieder, wie sie gekommen sind, und die aussichtsreichsten 10 Prozent werden von den Investoren geformt und in größere Systeme einverleibt.
Doch die vielen kleinen Gründer, die sich mit ihren Träumen und ihren Ideen auf einen eigenen Weg begeben, das sind vielleicht in Zukunft die Lebenskünstler, die auch schwere Krisen bewältigen können. Ich bin davon überzeugt, dass Precht recht hat und der Verlust der vielen Arbeitsplätze nicht durch neue maschinenergänzende Dienstleistungen aufgefangen werden kann. Doch ich bin auch überzeugt davon, dass der Mensch sich mit seinem starken Willen, seinem Fleiß und seiner Kreativität neue Wege bahnen wird.
Nur Mut!
Also nur Mut! Wer in sich den Impuls fühlt, sich selbstständig zu machen, sollte das verwirklichen, auch wenn es tausend Dinge gibt, die dagegen sprechen. Ich habe in den vergangenen 13 Jahren so viele unmögliche Gründungen erlebt und mit begleitet, dass ich eins weiß: „Irgendwie geht es immer weiter, und gerade in Krisen entstehen die besten Ideen“. Vertraut auf Eure Fähigkeiten und Eure Kraft, dann werdet Ihr es schaffen. Und Spaß macht es auf jeden Fall, selbstständig zu sein.
Der Stolz und die Würde ist mit denen, die die Unabhängigkeit wagen, das kann ich versprechen. Der Stolz und die Würde ist mit denen, die ihre Leistung kennen und beharrlich einbringen. Und wenn dann das Bedingungslose Grundeinkommen kommt, wunderbar! Was für eine Gnade in Krise, Krankheit, Alter! Doch genau wie Richard David Precht sich Tag für Tag einbringt mit dem, was er kann, können wir das auch. Jeder ist wertvoll und unersetzlich, und jeder kann das herausfinden und leben.
„Doch genau wie Richard David Precht sich Tag für Tag einbringt mit dem, was er kann, können wir das auch. Jeder ist wertvoll und unersetzlich, und jeder kann das herausfinden und leben.“
Genau. Die Hetze gegen ‚Gamer‘ musste aber vielleicht nicht sein. Ich sehe da einen Schnittpunkt von Gestaltern von Gemeinschaft, Kultur und auch Politik. 🙂
Danke lieber Raoul! Auch ich habe gelernt, dass Gamer ein Stück „aus der Zukunft“ kommen und uns zeigen, wie man Gesellschaft neu erfinden und gestalten kann – und auch gestalten muss! Doch Dystopien wie „Ready Player One“ sind auch ein Teil dieser Wirklichkeit. Wenn wir Menschen nicht mehr gebraucht werden und obsolet werden – wird man uns dann wie in einem weltweiten Zoo als Ausstellungsstücke ernähren und mit Unterhaltung füttern? Da bin ich doch misstrauisch…
Etwas genauer beschrieben: Im Spiel kann man sich begegnen und neue Perspektiven erfahren, auf unvoreingenommene Art. Sei es mit seinen Mitspielern, Spielemachern oder Zuschauern. Kunst halt. Und damit Kunst dem Menschen dienlich ist, muss sie nun eben auch manchmal Banal sein dürfen (durchaus bei manchen Spielen der Fall, aber bei weitem nicht allen oder immer), um den Bedürfnissen der Menschen in ihren individuellen Lebenslagen gerecht zu werden.