Es gibt viele Menschen, die davon träumen, sich selbstständig zu machen. Bei vielen von ihnen steht dabei die Sehnsucht nach einem Begegnungsort wie einem Café oder einem eigenen Laden ganz oben auf der Wunschliste, denn wie wir aus der Glücksforschung wissen: Neben Ernährung und Sicherheit stehen Lebenssinn und emotionale Kontakte mit Menschen ganz oben auf der Liste dessen, was Menschen glücklich macht. Das ist auch für GründerInnen neben dem finanziellen Erfolg mit das wichtigste Gründungsmotiv: Begegnung mit Menschen.
Begegnungsraum Innenstadt
Etwas Schönes zu entdecken und einzukaufen, ist in den Innenstädten neben dem leiblichen Genuss von Speis und Trank wohl der häufigste Grund, sich dorthin auf den Weg zu machen. Ob spannender Wochenmarkt oder eine Flaniermeile mit dem, was das Leben schön macht durch Mode, Geschenkideen und Wohnaccessoires, die Menschen wünschen sich Dinge, die sie beglücken und ihnen zeigen, dass ihr Leben sich lohnt.
Viele Innenstädte bieten jedoch ein tristes, trauriges Bild mit den immer gleichen Filialketten und Franchisekonzepten. Auch in der Gastronomie fehlen die Gastwirte, die ihrem Lokal emotionale Anziehungskraft und Raum für Begegnungen verleihen.
Das liegt häufig an den hohen Pachtpreisen, aber nicht nur. Es gibt durchaus Lichtblicke, vor allem in Vororten und Kleinstädten, wo es noch häufiger inhabergeführte Gastronomiebetriebe und Einzelhandelsgeschäfte mit Atmosphäre und individueller Ladeneinrichtung gibt. Wir Kunden und Gäste wissen schließlich aus eigener Erfahrung: „Der allererste Eindruck zählt“.
Mögliche Konzepte für verlassene Warenhäuser: Hier ein beispielhaftes alternatives Ladenkonzept für die leerstehende Fläche der geschlossenen Karstadt-Filiale in der Mainzer Innenstadt: Zwischennutzung „Lulu“
Im stationären Einzelhandel gründen?
Auch wenn wir in Deutschland zwanzig Prozent Leerstand im stationären Einzelhandel haben, auch wenn es in vielen Innenstädten immer weniger Flächen gibt, die zum Ausruhen und Verweilen einladen, kann neues Leben in den Städten entstehen.
In immer mehr Kommunen gibt es Projekte und Baumaßnahmen, bei denen Plätze mit überdachten Flächen, einladenden Sitzgelegenheiten, großzügigen Spielflächen für Kinder und attraktiven Erlebnisräumen für Jugendliche wiedererstehen. So wie Bäche und Flüsse denaturiert wurden, werden nun auch Innenstädte und Parks wieder zu menschenfreundlichen Lebensräumen. In solchen Gemeinden finden Gründungswillige, die von einer Boutique, einem Blumenladen oder einem Café träumen, lohnenswerte Perspektiven für ihre Visionen.
In einer Zeit, in der durch Homeoffice und Vereinzelung die Sehnsucht nach Begegnungsräumen wächst, können GründerInnen mit Sympathie für die Bedürfnisse potenzieller Kunden Erlebnisse bieten, die eng mit glücklich machenden Shoppingerlebnissen verbunden sind.
Hauptsache, die Leidenschaft stimmt, die Liebe zu Mitarbeiter/Innen und Kunden/Innen stimmt, die Pachtpreise sind tragbar – und es gibt einladende Plätze, an denen sich flanierende Menschen ausruhen und begegnen können. So zeigt die erfolgreiche Gründerin Farnaz Habib Piran, die ihre Karriere als Wirtschaftspädagogin aufgab, um ein Blumengeschäft in Bergisch Gladbach, einer Stadt nahe Köln mit 112.000 Einwohnern, zu übernehmen, dass es funktionieren kann. Ihr Laden ist wirtschaftlich gesund und wächst.
Köln, Menschenmagnet rund um den Dom
Wer nach Köln reist und am Hauptbahnhof die City betritt, sieht, was passiert, wenn Jung und Alt großzügige Verweilmöglichkeiten vorfinden – im Schutz des imposanten Kölner Doms. Gaukler und Prediger sieht man auf dem Platz vor dem Dom, kulturelle Darbietungen werden für freiwillige Spenden geboten – und unzählige Menschen finden Platz auf Treppenstufen und Mauern, um sich darauf niederzulassen. Der Einzelhandel rund um den Dom ist hingegen unerschwinglich für kleine Einzelhändler und Gastronomen – schade!
Begegnungsräume – für Singles, Paare und Familie
Was tun Sie, wenn Sie allein, mit Freunden oder mit Ihrer Familie Freizeit genießen wollen? Wo finden Sie Orte, an denen die Erwachsenen Erlebnisse tanken und die Kinder Raum zum Spielen, Staunen und Erfahren bekommen? Es gibt natürlich Freizeitparks, die mit Fahrgeschäften und anderen Sensationen locken. Erlebnisse an den Wochenenden sind häufig ein teures Vergnügen – und Begegnungen mit Fremden finden dort kaum statt. Für einen lockeren Austausch mit anderen Müttern und Vätern geht man mit kleinen Kindern sogar besser auf herkömmliche Spielplätze in der Nachbarschaft.
Dann gibt es noch Zoos, Spielparadiese, Naturparks, Spaßbäder, Museen und andere Ausflugsorte – doch bleibt man auch hier meist unter sich. Kinder finden schon eher mal Kontakt zu anderen Kindern – doch Erwachsene tauschen sich höchstens in kurzen Begegnungen aus.
Tiefergehende Gespräche, wie sie früher rund um den Wochenmarkt, in Kneipen und Caféhäusern üblich waren, scheinen heute nicht mehr gefragt zu sein – aber ist das wirklich so? Haben wir Menschen uns die Zufallsbegegnungen mit anderen Menschen abgewöhnt? Reicht es uns, mit Freunden und Familie zu kommunizieren – oder online über Chatrooms?
Einzelhandelsgeschäfte wie das Blumengeschäft in Bergisch Gladbach können mit ihren zusätzlichen Erlebnisangeboten, den einladend liebevollen Ladeneinrichtungen und der Freude an Kunden in Gemeinschaft mit einer lebendigen Händler- und Gastronomengemeinschaft einträglich sein – und Innenstädte neu beleben. Die unterstützenden Rahmenbedingungen in Kommunen und Regionen müssen natürlich stimmen, um wirtschaftlich gesund zu überleben.
Was vor allem stimmen muss, ist das Gründungskonzept für Einzelhändler. Sorgfältig die Marktbedingungen recherchieren, den Businessplan erstellen, Zielgruppen, Kaufkraft und Marketing planen. Einzelhandel kann durchaus erfolgreich sein. Es geht nicht überall, aber es geht…