Nina aus L.A.: Komiker 2.0 – Russell Brands Wandel vom Hollywoodstar zum Aktivisten

Nina Grenningloh Reyes: Ich freue mich sehr, zum SteadyNews Blog beitragen zu können. Ich bin ein großer Fan von Eva Ihnenfeldt und ihrem Ansatz zum Marketing in den sozialen Medien. Wir leben in einer spannenden Zeit, in der jeder – ja jeder – dank des Internet und den sozialen Medien, seine Perspektive zu aktuellen Themen beisteuern und Dinge bewegen kann. Von Los Angeles aus werde ich in meinen Beiträgen ein Auge auf die Menschen und Unternehmen werfen, die neue (und alte) Kommunikationsformen dazu nutzen, Veränderungen zu bewirken und Gutes zu tun.

Natürlich ist es einfacher, ein breiteres Publikum zu erreichen, wenn man schon eine große Fangemeinde im Netz hat – so wie der britische Comedian Russell Brand. Als Komiker macht er seit einigen Jahren die internationale Bühne unsicher, nimmt meist sein eigenes Leben als Basis für seine Weltanschauung und Witze, die durch ein Leben zwischen Hollywood Entertainment und Brands persönlichem Kampf gegen die eigenen Dämonen geprägt ist.

Russell Brand’s Revolution

Jüngst hat Brand sein Buch “Revolution” veröffentlicht, indem er uns, wie der Titel vermuten lässt, zur Revolution aufruft. Genug hat der Komiker von Korruption in der Wirtschaft, von Politikern, die käuflich sind, und von globalen Megakonzernen, die nur ihre eigenen geldgierigen und machthungrigen Interessen vertreten. Zeit für eine Gesellschaftsordnung, die auf Werten wie Gemeinschaft, Toleranz, Rechts- und Chancengleichheit und Liebe beruht.

Buchrezensionen wie die von Oliver Jungen im FAZ Feuilleton bringen uns in der Diskussion um Alternativen zum aktuellen System allerdings nicht weiter. Im Mai beleuchtete der Feuilletonist Russell Brands Buch und ließ kein gutes Haar an dessen Aufruf zur Revolution.

Jungens Argumente: Brand sei ein selbstverliebter Schwätzer, ein Produkt der Unterhaltungsindustrie,  ein ehemaliger Drogenabhängiger und notorischer Wichtigtuer. Der Journalist zeigt sich erbost darüber, dass ein Comedian wie Brand den Nerv hat, jetzt auch noch im Kampf um eine gerechtere Gesellschaftsordnung ein Wörtchen mitreden zu wollen. Jungen schreibt da: „ Sein [Brands] turbonaives, pathosgetränktes, hochgradig narzisstisches Revolutions-Geschwurbel erweist sich zugleich auch noch als neo-esoterischer Ratgeber für verlorene Seelen und Paulo-Coelho-Leserinnen.”

Ein Tritt in die Magengegend

Aua! Diese Worte sitzen. Und schmerzen wie ein Tritt in die Magengegend. Und dazu versetzt er dem Schriftsteller Paulo Coelho noch einen Seitenhieb. Ich habe mich beim Lesen der Rezension gefragt, ob sich bei Jungen ein Wohlgefühl eingestellt hat, nachdem er so fein ausgeteilt hat. Tut es dem Kritiker gut, das gut gemeinte Werk anderer zu verreißen, da er sich danach in seinen eigenem Weltbild bestätigt fühlt? Einer der Leserkommentare zum Beitrag bringt es auf den Punkt: „Ist es möglich, das wir formalistisch negativ bewerten was im Grund viel Wahrheit enthält, nur weil uns die Art wie es präsentiert wird nicht anspricht, ja – ist es möglich das wir uns vor Veränderungen scheuen, weil wir im Grunde Angst haben und das Verharren in der Passivität doch viel einfacher ist?”

Ja, Russell Brands Botschaft mag auf einem naiven Optimismus beruhen, der eine bessere Zukunft für möglich hält, wenn wir alle dazu beitragen. Was ist so schlimm daran? Und warum kann nicht ein ehemaliger Drogenabhängiger, der im Übrigen ganz ehrlich zugibt, dass er nach wie vor täglich das Monster “Drogen” bekämpft, eine neue Bestimmung finden? Die Bestimmung, seine Popularität zu guten Zwecken einzusetzen.

Brands Humor ist nicht geradeaus

Vielleicht ist auch die deutsche Übersetzung des Buchs Schuld daran, dass Jungen sich so sehr an Russell Brands Revolutionsgedanken reibt. Brands Humor ist nicht geradeaus. Er ist selbstironisch, scharfkantig und oftmals anzüglich. Die clevere, blumige und übertrieben artikulierte Sprache ist Russell Brands Markenzeichen, und ob die deutsche Übersetzung (egal wie gelungen) das englische Original tatsächlich eins-zu-eins wiederspiegeln kann, wage ich zu bezweifeln.

Eins ist doch klar: Brand setzt seine Popularität und sein humoristisches Talent ein, um den Menschen eine Alternative zu unserer aktuellen Gesellschaftsordnung aufzuzeigen – und das ganze in Brand Manier, ist ja klar.

Am meisten an Jungens Rezension verärgert mich, dass sich der FAZ Feuilletonist anscheinend nicht die Mühe gemacht hat, mal zu recherchieren, wie Brand denn seine beschriebene Revolution umsetzt? Jungen schreibt, als hätte er direkten Zugang zu Brands Seele: “Brand will die Welt nicht für kommende Generationen retten oder den Hunger bekämpfen. Es geht ihm einzig um die eigene Glückseligkeit.”

Für gerechtere soziale Verhältnisse einsetzen

Wenn es Brand tatsächlich um seine eigene Glückseligkeit ginge, würde er eine lukrative Karriere im Showbusiness derart einschränken (und aufs Spiel setzen), indem er sich insbesondere in seiner Wahlheimat London ununterbrochen für gerechtere soziale Verhältnisse einsetzt? So nimmt Russell Brand regelmäßig an Anti-Austerity Versammlungen in London teil und unterstützt Menschen, die ihre Wohnungen verlieren, da internationale Investoren skrupellos Londons Arbeiterviertel in neureiche Luxusapartments verwandeln.

Brand ist Gründer von „The Trews“ – das steht für True News – und beleuchtet wöchentlich aktuelle Nachrichten, indem er den wahren Motiven der Beteiligten auf den Grund geht. Sein Trew Era Café in Shoreditch, im Osten Londons, ist ein Ort für Revolutionäre und Aktivisten. Es ist ein nichtkommerzielles Geschäftsmodell, das von ehemaligen Drogenabhängigen geführt wird und auf Brands Prinzipien einer neuen, sozialen Wirtschaftsform beruht.

Im Dokumentarfilm „The Emperors New Clothes“, den Brand gemeinsam mit Dokumentarfilmemacher Michael Winterbottom produziert hat, legt er den Missbrauch von Macht in Politik und Wirtschaft bloß.

Ja, an Russell Brands Humor scheiden sich die Geister. Aber man muss dem Comedian schon zugute halten, dass er sich leidenschaftlich und unermüdlich für eine gerechtere Welt einsetzt, indem er Comedy und Aktivismus clever verknüpft. Ich finde, eine zündende Kombination. Schaut doch mal selbst rein bei russellbrand.com und lasst mich wissen, was ihr so denkt…

Nina_Grenningloh_ReyesÜber Nina Grenningloh Reyes
Nina Grenningloh Reyes ist Gründerin von Communications Rebel und entwickelt Marketing- und Kommunikationsstrategien für Unternehmen in den USA und Deutschland, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen die Welt ein Stückchen besser machen. In Deutschland hat sie zum Beispiel mit Lunapads und Greenpicks Eco & Upcycling Market gearbeitet. In den USA hat sie Marketingkampagnen für die St. Baldricks Foundation und für Woodbury School of Architecture betreut. Nina lebt in Los Angeles, wo sie neben der kalifornischen Sonne die kulturelle und kulinarische Vielfalt liebt.
www.communicationsrebel.com

 

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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