Ist die „Lücke im Lebenslauf“ ein Geschenk für digitale Weiterbildungen?

Seit 2007 habe ich immer wieder Lehraufträge in Marketing, PR, Online Marketing und Social Media Marketing angenommen. Meine Teilenehmer sind zwischen 23 und 60 Jahre alt, kommen aus ganz Deutschland und haben die unterschiedlichsten beruflichen Biografien. Gemeinsam ist ihnen allen – vom Studenten bis zum erfahrenen Marketingleiter, Unternehmer und Vertriebler, dass sie sich beruflich weiterentwickeln wollen und müssen.

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Seit nun acht Jahren erlebe ich, wie dieses Klientel sich wandelt. Ich bin berührt davon zu erleben, wie der Einfluss des Internets Ziele und Motive der mir anvertrauten Menschen verändert. Waren 2007 noch viele mit der Frage beschäftigt, wie sie sich den Anforderungen des Marktes anpassen können (damals war die Arbeitslosigkeit sehr hoch) steht nun Selbstverwirklichung und Verantwortung ganz oben auf der Liste der Motive. In zehn Jahren ist so viel passiert!

Gründen aus der Arbeitslosigkeit

Als ich 2004 die Gründergenossenschaft eG gemeinsam mit Experten gründete, lag das Ruhrgebiet in einer Art Schockstarre. Ingenieure, Betriebswirte und viele andere Fach- und Führungskräfte wurden entlassen und hatten Angst vor der Zukunft. Je höher die Arbeitslosigkeit, desto rigider die Auslese. Alles über 40, 45 galt als alt und nicht mehr brauchbar für den Wandel, der die gesamte Welt ergriffen hatte.

Die Menschen, die gemeinsam mit der Gründergenossenschaft eine selbstständige Existenz aufbauten, hatten meist keine Wahl. Viele von ihnen waren sehr loyale Angestellte gewesen, die sich für ihren Betrieb hätten zerreißen lassen – nun standen sie im Leeren. Die Panik verlieh Bärenkräfte und nur selten erlebten wir es, dass jemand scheiterte. Einige fanden aus der Selbständigkeit nach einiger Zeit eine neue Anstellung – andere fingen an, ihr spannendes Leben als Freelancer zu lieben. Einige wenige stellten sogar Mitarbeitern ein und wurden „richtige“ Unternehmer.

Weiterbildungen aus der Arbeitslosigkeit

Die Menschen mit Karriereknick, die ich über Bildungsträger unterrichtete, waren eingeschüchtert. Sie erhofften sich von den Behörden und Weiterbildungen Hilfe, um in einen neuen Job zu kommen. Ihre Bemühungen lagen vor Allem darin, sich selbst „dem Markt gerecht zu machen“ – das war so traurig, das zu sehen. Wenn gestandene Fach- und Führungskräfte ihren Stolz auf sich verlieren, das tut weh.

Digital die Welt erobern im Jahr 2017

Heute ist es ganz anders. Selbstständige und Unternehmer sind sich relativ gleich geblieben, auch die Studenten haben sich zwar vom Medienverhalten her verändert, aber in Bezug auf Motive und Werte kaum. Sie wollen die Welt verbessern, und das wunderbar so. Doch die Menschen, die ihre beruflichen Auszeiten nutzen, um sich weiterzubilden, sind nicht mehr zu vergleichen mit den Eingeschüchterten von zehn Jahren.

Arbeitslosigkeit als Chance für ein gutes berufliches Leben?

Auszüge aus meiner letzten Feedbackrunde im Lehrgang – wie die Teilnehmer nach einer Woche Erfahrung ihre Weiterbildung zum Online-Marketing-Manager bewerten:

  • Wichtig ist, sich Zeit zu geben, Gelassenheit zu entwickeln: In den Projekt-Gruppen auch darüber reden. Passive und aktive Phasen genießen. Die Freude an der Aufgabe nicht vergessen. Und die Dankbarkeit, dass ich diese Weiterbildung mitmachen darf. Vertrauen haben in die eigenen Kompetenzen und Stärken. Vertrauen haben in die Welt, dass alles so passiert, wie es passieren soll
  • Bewertung der Arbeitslosigkeit: Es ist ein Step passiert, der einen wirklich weiterbringt
  • Irgendwann im Leben kommt man in eine Phase, wo man sich wie ein Roboter fühlt. Erst dadurch, dass man einfach mal „sein“ kann, dass man mal durchatmen kann, findet man zu sich selbst. Um zu dem zu finden, was man eigentlich und wirklich machen will. Was einem wirklich Spaß macht. Und daraus entwickelt sich dann womöglich auch der nächste Karrierestep. Oder eine neue berufliche Identität
  • Was machst Du mit Deinem Tag, wenn es keinen finanziellen Druck mehr gibt? Wenn es keinen Grund mehr gibt, fremdbestimmt zu arbeiten? Wie plane ich eine intelligente Lebensführung? Dafür kann man so eine Weiterbildung nutzen, um das zu erforschen. Wie kann ich das meinen Kindern vorleben? Wie kann ich sie auf ein Leben vorbereiten, das in großen Teilen nicht mehr fremdbestimmt ist?
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Ist das nicht unglaublich? 23 Menschen, die sich nie zuvor begegnet sind, die aus ganz Deutschland im virtuellen Klassenzimmer zusammen arbeiten und forschen, die aus verschiedensten Berufen kommen und altersmäßig komplett gemischt sind, spüren schon nach einer einzigen Woche, wie sie aufblühen und sich weiterentwickeln. Statt sich anzupassen und unkommentiert die Vorgaben des Curriculums abzuarbeiten, suchen sie sich ihren Stoff selbst, erforschen in Projektgruppen mit unglaublichem Engagement die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters und lernen, lernen, lernen.

Die „Digital Natives“ zeigen den Älteren digitale Tools zur Projektorganisation, die Älteren halten Referate zur Marketing- und Vertriebspraxis, lassen die Jungen an ihren beruflichen Erfahrungen teilhaben. Die „Nerds“ unterstützen die Kreativen beim Aufbau eines digitalen Handlungsrahmens mit Blog, Social Media, Direktmarketing und Co. Gemeinsam werden in der geheimen Facebook-Gruppe Informationen und Hintergrundinfos ausgetauscht – täglich kommen Texte, Videos und Audio-Inhalte hinzu, die von den Teilnehmern recherchiert, diskutiert und großzügig geteilt werden.

Selbstbestimmt leben, in der Familie intelligente Lebensführung vorleben, die Kinder begleiten bei ihrer digitalen Medienkompetenz und ihrem Weg in ein beruflich erfülltes Erwachsenenleben. Nie wieder zur Arbeit gehen wie ein Roboter, der seine Authentizität zu Hause lässt und bereit ist, sich fremdem Willen und fremdbestimmten Arbeitsanweisungen unterzuordnen.

Den beruflichen Cut intelligent nutzen

Diese Agilität, nach denen sich Unternehmen sehnen, kann man tatsächlich am besten lernen, wenn man mal einen Cut macht in der beruflichen Biografie. Ich schreibe dies auf, weil ich unglücklichen Angestellten Mut machen möchte, sich mal so einen Cut zu gönnen und die großartigen Weiterbildungsangebote der Agentur für Arbeit zu nutzen. Gerade für Hochschulabsolventen, Geisteswissenschaftler, Betriebswirte und Vertriebler ist es sehr bereichernd, sich in Vollzeit (!) mehrere Monate lang zum Digitalen Experten weiterbilden zu lassen. Die werden nämlich dringend gebraucht, und diese unternehmerische Einstellung zum Job ebenso.

Außerdem ist es einfach mal schön, ein neues Leben zu beginnen und auf Augenhöhe mit Gleichbetroffenen und Trainern zu diskutieren. Also nur Mut! Weiterbildung im Erwachsenenleben wird immer wichtiger – Kompetenz im Digitalen erfordert viel Zeit, Forschergeist und Engagement. Digitale Kompetenz zu erlangen, ist neben einer Vollzeitstelle sehr schwer zu bewältigen. Die Agentur für Arbeit weiß anscheinend auch, wie wichtig diese Weiterbildungen sind und fördert sehr großzügig. Auch Mütter ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld werden häufig unterstützt, was mich sehr freut. Und gerade für Hochschulabsolventen ist so der Übergang vom Studium in die Arbeitswelt viel leichter und natürlicher. Nur Mut! Lernen und Forschen macht Spaß und macht glücklich.

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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