Stefan Geister ist Manager bei L’Oréal. Im kurzen Videointerview mit HORIZONT (hier eingebettet) erläutert er, wie sich die Unternehmenskultur bei der Beauty-Marke gerade wandelt. Auf der einen Seite steigen die Führungskräfte von ihren „hohen Rössern“ herunter und sorgen für eine Wohlfühl-Atmosphäre auf Augenhöhe – auf der anderen Seite steigen die Ansprüche an neue L’Oréal-Mitarbeiter: Sie sollen als Influencer und Botschafter für die Marke einstehen. Da fragt man sich: Wird es bei Konzernen immer entscheidender, wie groß das digitale Netzwerk der Bewerber ist und wie viel sich der Bewerber im Social Web engagiert? Denn nicht nur L’Oréal ist dabei, die Erwartungen an ihre Mitarbeiter zu verändern. Kommunikation ist alles…
Gerade große Konzerne haben die Schwierigkeit, dass sie von den Kunden als Profitgeier, Heuschrecken, Lügner und skrupellose Geschäftemacher wahrgenommen werden. Vor Allem die jüngste Generation der Erwachsenen (die so genannte Generation Z) erwartet von Unternehmen ein ethisch reines Gewissen. Häufig suchen diese jungen Menschen nach StartUps und „Überzeugungs-Unternehmern“, die ihre Vision und Mission für Gesellschaft und Planeten glaubwürdig und kreativ über Social Media vertreten.
Love-Brands
„Love-Brands“ können für Jugendliche nur Marken sein, die durch ihr Verhalten und ihre communityorientierte Kommunikationspolitik zeigen, dass sie engagiert an Ökologie und Menschlichkeit arbeiten. Einige große Marken wie Nike und Adidas sind Vorbilder darin, wie das auch für internationale Konzerne möglich ist.
Um Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit zu beweisen, werden die Mitarbeiter der mächtigen Konzerne zu wichtigen Empfehlern, Botschaftern, Influencern… Es könnte also sein, dass zukünftig bei so mancher Stellenbeschreibung letztendlich den Ausschlag gibt, welche/r Bewerber/In das aussagekräftigste Profil im Social Web hat und wer bereit ist, voller Enthusiasmus für seinen Arbeitgeber einzutreten in der Öffentlichkeit. Jeder Mitarbeiter ein Influencer? Der Trend scheint dahin zu gehen…
Nicht nur L’Oréal, auch IKEA, OTTO, Microsoft und viele andere Konzerne arbeiten daran, ihre Mitarbeiter als „Markenbotschafter“ aufzubauen. Lebendig gelebte Vision und Mission des Unternehmens sowie eine anziehende Unternehmenskultur für die Abhängig Beschäftigten sind die neue Doktrin.
Dabei ist die Verpflichtung, sich gesellschaftlich zu engagieren, mehr und mehr ein absolutes Muss für große Unternehmen. Erst kürzlich hat BlackRockte Chef Larry Fink, Gründer und CEO des vielleicht mächtigsten Unternehmens der Welt, ein Interview gegeben, in dem er das gesellschaftliche Engagement der Oligarchen und Konzerne unter dem Motto „Der Kapitalismus ist zu weit gegangen“ anmahnt.
Da BlackRock bei so gut wie allen DAX-notierten Unternehmen Aktienanteile hält und als Vermögensverwalter eingesetzt ist, ist diese Aussage gar nicht hoch genug zu bewerten. Was dahinter steckt, kann man nur vermuten. Ob gesellschaftliche Aufstände befürchtet werden, wenn sich nichts ändert? Oder ob die Macht der internationalen Konzerne bereits so zugespitzt ist, dass man auf mehr und mehr auf Parlamente bei der Interessens-Vertretung verzichten kann und nun direkt selbst die gesellschaftliche Ordnung gestalten will?
Man wird sehen. Auf jeden Fall sollte man es im Auge behalten. Es tut sich was in einer Welt, in der Nationen immer weniger eine Rolle spielen.