Waffen aus dem Heim-3D-Drucker – ein Recht auf Bewaffnung für Jedermann?

Soll der Staat über uns wachen um uns zu schützen?

Eva Ihnenfeldt: Sicherheit oder Freiheit? Diese Frage muss sich jede Gesellschaft immer wieder neu stellen, die auf der Suche nach einem bestmöglichen Modell für den Einzelnen und die Gemeinschaft ist. Das Internet wirft nun alles was sich in vielen Jahrzehnten entwickelt hat, in rasender Geschwindigkeit über den Haufen. Jüngstes Beispiel ist die funktionstüchtige Pistole „Liberator“ (Befreier), die der Amerikaner Cody Wilson als Druckvorlage ins Web gestellt hat – und die bereits über 100.000 Mal heruntergeladen wurde, bevor die US-Regierung den Waffenbegeisterten dazu brachte, die Pläne wieder aus dem Netz zu nehmen.

Soll der Staat über uns wachen um uns zu schützen?

Soll der Staat über uns wachen um uns zu schützen?

Natürlich kann man sagen, dass ja erst wenige Menschen so einen 3D Drucker besitzen, aber bei Preisen zwischen 600 und 800 Euro ist das wohl kaum ein beruhigendes Argument. Und tatsächlich hat Wilson als Chef der Gruppe „Defense Distributed“ gemeinsam mit seinen Freunde im Sinn, die Menschheit zu bewaffnen – und einmal losgelassen lässt sich die Druckvorlage wahrscheinlich ähnlich schwer stoppen wie ein Video, das immer wieder anonym neu eingestellt wird, auch wenn es verboten ist.

Herausforderungen der digitalen Welt für Gesellschaften

Sicherheit oder Freiheit: Wir sind zu Recht empört und erschrocken über die Datensammelwut der Wirtschaft und der Behörden. Es wird immer leichter und selbstverständlicher, elektronische Durchsuchungen und Überwachungen durchzuführen. Doch was ist wenn die Regierungen sich möglichst passiv verhalten? Wie kann man Kriminalität, Gewalt, Manipulation und Menschenverachtung verhindern ohne die Freiheitsrechte des Einzelnen zu gefährden?

Freie Meinungsäußerung oder Schutz der Werte: Über das Internet ist es leicht möglich, in Windeseile schwerwiegende Meinungen, Behauptungen, Aufrufe und Aktionen zu verbreiten. Man kann sich über Twitter, Facebook und Co verabreden, organisieren, Kampagnen durchführen. Das geschieht nicht selbstverständlich zum Schutz gegen staatliche Willkür und als friedlicher innovativer Bürgerprotest, das geschieht auch bei Gruppen, die wir lieber heute als morgen komplett verschwinden sehen würden, weil sie zu Gewalt und Hass aufrufen. Doch was kann man tun? Brauchen wir eine umfassende „Meinungsäußerungs-Polizei“ die schnell alles unterbindet, was gefährlich erscheint und sich nicht wie ein Virus ausbreiten soll?

Kreativität oder Schutz vor Plagiaten: In Deutschland wird wie in wohl keinem anderen Land das Urheberrecht geschützt, indem z.B. die allermeisten Musikvideos bei YouTube gesperrt sind. Doktorarbeiten werden massenweise von automatischen Programmen auf Plagiatsverdacht überprüft, in der Musik braucht man schon für winzigste Samples Lizenzen – sonst droht eine deftige Abmahnung. Jeder der sich im Web äußert muss sich ständig vor Abmahnungen fürchten, zu leicht begeht man einen Verstoß, und sei es wegen eines automatisch generierten Vorschaubildes bei Facebook. Was kann man tun? Das Urheberrecht reformieren um Kreativität zu fördern? Doch wie weit soll das gehen? Welchen Schutz braucht ein Künstler, ein Träger geistigen Eigentums, ein Unternehmen, um sich vor Wettbewerbern und Missbrauch zu schützen? Und wie will man verhindern, dass für diesen Schutz flächendeckend alle Daten im Web durchsucht und analysiert werden?

Cyberkriminalität und Datenmissbrauch: Selbst multinationale Konzerne und Regierungen haben Schwierigkeiten, sich vor Angriffen zu schützen – wie schwierig ist das dann erst einmal für einen Mittelständler, der seine Patente, Kundeninformationen, vertraulichen Daten und Zahlen vor kriminellen Eingriffen schützen muss? Und was ist mit dem einzelnen Menschen, der nicht mehr verhindern kann, dass sein Kaufverhalten, seine Beziehungen und Themen gespeichert, analysiert und verwendet werden? Sollen Behörden und Regierungen neue Gesetze kreieren, die das Sammeln von persönlichen Daten generell unter Strafe stellen – es sei denn die Sammelstelle hat eine staatliche Genehmigung? Sollen wir den starken Staat propagieren, der uns vor der neuen Zeit und ihren Anforderungen durch viele Gesetze, Ermittlungen, Durchsuchungen, Strafverfahren und Auflagen schützt?

Wir können den Blick definitiv nicht mehr verschließen vor diesen existenziell wichtigen Fragen. „Freiheit oder Sozialismus“ war mal ein etwas lächerlicher politischer Wahlspruch der CDU, „Freiheit oder Staatsschutz“ könnte man jetzt neu ausrufen – wenn denn erst einmal das Bewusstsein für die „Gläserne Zeit“ in seiner ganzen Tragweite bei den Menschen angekommen ist.

Ich selbst stehe ganz am Anfang meiner Meinungsbildung und bin hin- und hergerissen. Niemals in meinem Leben war ich für einen starken Staat. Ich wüsste wirklich nicht, warum ich Regierungen mehr vertrauen sollte als anderen Organisationen mit Macht, Geld und Einfluss. Die Möglichkeit zu wählen und politisch aktiv zu sein ist gut, aber nicht ausreichend. Eine starke Demokratie achtet immer auch darauf, dem Staat und den Behörden nicht mehr Möglichkeiten einzuräumen als nötig ist um Frieden, Wohlstand und Entfaltung der Persönlichkeit zu gestalten.

Es wird ein langer schwieriger Weg. Ziele müssen definiert werden, Analysen betrieben, Vergleiche angestellt werden in einem Bereich, der so jung ist dass es kaum geschichtliche Erkenntnisse gibt! Ich wünsche mir eine freie Gesellschaft, in der Art.5 des Grundgesetzes das Fundament bildet für Austausch, Erkenntnis und fruchtbares Debattieren:

 (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(Begehe ich mit diesem Zitat eigentlich gerade eine abmahnfähige Urheberrechtverletzung, wenn ja warum, wenn nein warum nicht – wissen Sie es? )

Ich wünsche mir eine weltweite Gemeinschaft von Menschen die Mut haben Ideen zu entwickeln, zu teilen, zu verbreiten und zu gestalten. Eine Welt von Kreativen und Künstlern, die vor Zensur und Unterdrückung geschützt sind und sich immer besser vernetzen und kommunizieren.

Oder wie es Winston Churchill so schön formuliert hat:
Die Freiheit der Rede hat den Nachteil, dass immer wieder Dummes, Hässliches und Bösartiges gesagt wird. Wenn wir aber alles in allem nehmen, sind wir doch eher bereit, uns damit abzufinden, als sie abzuschaffen.

Ich wünsche mir eine Welt, in der Menschen, die zu Bewaffnung und Gewalt aufrufen, nicht gehört werden, weil das Konstruktive und Gemeinschaftliche so stark ist, dass das Zerstörende keinen Anklang findet. Ich wünsche mit Erkenntnis statt Verbote, Ausprobieren statt Selbstzensur, Freiheit statt Staatsschutz. Bin ich naiv?

8 thoughts on “Waffen aus dem Heim-3D-Drucker – ein Recht auf Bewaffnung für Jedermann?

    • Reply Eva Ihnenfeldt 13. Mai 2013 at 13:49

      Ja das ist beruhigend. Ein Albtraum sich vorzustellen, auch in Deutschland würde es zum Spaß werden, ein bisschen aus Jux rumzuballern!

  • Reply SteadyNews vom 14. bis 21. Mai 2013 - Business-Academy-Ruhr 30. Mai 2013 at 18:33

    […] Begriffsfindung und die Rechtssprechung der Realität hinterher. In den folgenden Wochen… – Waffen aus dem Heim-3D-Drucker – ein Recht auf Bewaffnung für Jedermann? Eva Ihnenfeldt: Sicherheit oder Freiheit? Diese Frage muss sich jede Gesellschaft immer wieder neu […]

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