Konstruktiver Journalismus heißt eine neue Strömung im internationalen Nachrichtengeschäft. Diese hat die Nase voll von Clickbait-News, Krisen-Schlagzeilen und Copy-Paste-Artikeln auf die Schnelle. Stattdessen setzen konstruktive Journalisten auf empirische Daten, enge Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und ausreichend Recherchezeit. Heraus kommen Artikel mit neuen Perspektiven und Mehrwert. Einem kommt das ganz besonders zugute: dem Leser.
„News is bad for you“ lautet die Überschrift eines Artikels der englischen Tageszeitung „The Guardian“ aus dem Jahr 2013. Die Bestandsaufnahme der modernen Nachrichtenwelt könnte nicht schlechter ausfallen: Zeitungen und Onlineportale setzen vor allem auf persönliche Schicksale, Krisen und Katastrophen. Das ist zwar spannend und bringt Klicks und damit Werbeeinnahmen, hat aber einen großen Haken: Beim Leser entsteht auf Dauer ein falsches, negatives Weltbild.
Pessimistisches Weltbild
Studien bestätigen: Wer häufig durch die Nachrichten-Linse die Welt betrachtet, schätzt Risiken falsch ein (etwa Flugzeugabstürze), bewertet globale Entwicklungen pessimistischer und setzt sich negativen Emotionen wie erlernter Hilflosigkeit aus, die schlecht für Körper und Psyche sind. Artikel mit tatsächlichem Mehrwert für das Leben des Lesers machen nur einen geringen Teil der täglichen Nachrichtenflut aus.
Die Gegenbewegung zu diesen „Bad News“ nennt sich „Constructive News“, zu Deutsch: Konstruktiver Journalismus. Der möchte nicht zur zeigen „was ist“, sondern auch „was geht“. Dahinter stecken Ideen der positiven Psychologie, die auf das Nachrichtengeschäft übertragen werden. Konstruktive Artikel beschreiben Probleme nicht nur, sondern erklären auch ihre Ursachen und vermitteln damit Verständnis für größere Zusammenhänge.
Relevanz für den Leser
Dazu sind sie zukunftsorientiert, zeigen neue Perspektiven auf und liefern Lösungsansätze gleich mit – am besten praktisch und lesernah. Auf Dauer vermittelt das ein weniger negatives und vor allem realistischeres Bild der Wirklichkeit. Um „Positive News“ mit lauter Hurra-Schlagzeilen und Wohlfühlbildern geht es dabei aber nicht, sondern um bessere, kritische Inhalte mit Relevanz für den Leser.
Damit macht sich Konstruktiver Journalismus natürlich mehr Arbeit als einfach dpa-Meldungen umzuschreiben. Die Lösung ist eine enge Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Forschungsergebnisse, Daten und Studien bilden den Ausgangspunkt einer konstruktiven Recherche. Das nimmt den Journalisten nicht nur Arbeit ab, sondern erzeugt auch verlässlichere (und manchmal überraschende) Ergebnisse, die über die Meinungsmache von „Bad News“ hinausgehen.
Digitales Gedächtnis
Das zweitwichtigste Werkzeug für konstruktive Journalisten ist das Internet. Im digitalen Gedächtnis sind viele Informationen frei verfügbar und müssen nur überprüft und eingeordnet werden. Der Leser erhält im Artikel Links zu diesen Quellen und kann jederzeit der journalistischen Arbeit auf den Zahn fühlen. Diese Überprüfbarkeit schafft Vertrauen und das kommt wiederum den Medien zugute. Höchste Zeit! Denn das Ansehen von Journalisten in der Bevölkerung ist aktuell eher schlecht.
In den Niederlanden ist Konstruktiver Journalismus bereits sehr erfolgreich. Das Online-Medium „De Correspondent“ hat nach nur wenigen Jahren mehr als 40.000 Mitglieder. In Deutschland fehlte ein solches Medium bisher. Doch das ändern die Gründer von „Perspective Daily“ gerade: Maren Urner, Han Langeslag und Bernhard Eickenberg haben über eine Crowdfunding-Kampagne mehr als 12.000 Mitglieder gewonnen und mehr als eine halbe Million Euro eingesammelt. Damit ist „Perspective Daily“ eines der größten Crowdfunding-Projekte in Deutschland überhaupt.
Spezielle Features im Text
Möglich wurde diese Form der Schwarmfinanzierung auch über das Internet. Mit der Mischung analoger und digitaler Kommunikation erreichten die Gründer eine enorme Reichweite. Gemeinsam mit einem ambitionierten und jungen Team sind sie aktuell dabei, in Münster eine Redaktion aufzubauen und das neue Format zu entwickeln. Ende Mai sollen die ersten Artikel online gehen. Bei der Gestaltung spielen auch Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft eine Rolle.
„Das Erlebnis für den Leser soll störungsfrei, also ohne Banner, blinkende Werbung oder Hyperlinks im Text sein“, sagt Urner. So erreiche man nachweislich eine höhere Konzentration und Tiefe. Dafür werden Quellen am Textrand offengelegt und über ein ausklappbares Feature im Text Zusatzinformationen bereitgestellt. Eine Kommentarfunktion ist ausschließlich Mitgliedern vorbehalten.
Prominente Unterstützung
Gemeinsam will das Team nicht die Welt retten, aber zumindest die Nachrichtenlandschaft ein Stückchen besser machen. Als prominente Unterstützer konnte „Perspective Daily“ etwa Nora Tschirner, Franz Alt oder Jan Böhmermann überzeugen. Noch bis zum Start des neuen Online-Mediums können Mitglieder vom ermäßigten Jahresbeitrag von 42 Euro profitieren. Ab dem voraussichtlichen Start im Mai wird der Jahresbeitrag auf 60 Euro angehoben.
Mehr Infos zu Perspective Daily gibt es hier.
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