Die großen Internet-Konzerne haben ein großes Interesse: Sie wollen die User so lange wie möglich bei sich behalten. Ob über das Smartphone oder über den Laptop: Jede Sekunde, die wir länger bei Google, YouTube, Facebook, Instagram und Co verbringen, ist für die Giganten ein Gewinn. Zum Einen können sie uns gezielt Werbung einspielen – und zum Anderen können sie noch mehr über unser Verhalten herausbekommen. Intelligente Designs sorgen dafür, dass wir uns mit Neugierde und guten Gefühlen durch Google- und Facebook-Plattformen wühlen. Doch was macht diese Strategie mit unserer Psyche? Verändern die Strukturen im Web womöglich unsere ethischen Werte und unseren Charakter?
Achtzig Prozent des Online-Werbebudgets wandern zu Google und Facebook. Google DoubleClick ist dank des umfassenden Wissens über die Webuser auf der ganzen Welt ein marktdominierender Dienstleister für Agenturen und Verlage. Zum Einen werden Verhaltensprofile in Echtzeit erstellt – zum Anderen wird individuell angepasste Werbung ausgespielt – bei Verlagen und anderen Online-Portalen mit Werbeflächen. Facebook mit Instagram, dem Facebook-Messenger und WhatsApp kann dank des Facebook-Pixels auch auf fremden Websites die Besucher analysieren. Werbetreibende lassen sich gern bei der Erstellung von Werbeanzeigen von der passgenauen Zielgruppeneingrenzung leiten. Kurz und gut: Das Webverhalten der Menschen wird weltweit von Firmen erfasst, analysiert, verkauft und verwendet. Für Werbebotschaften und für die Filterung der Inhalte, die jeder Einzelne zu sehen bekommt.
Werden wir durch die Vorfilterung der Web-Inhalte manipuliert?
Was passiert, wenn Algorithmen uns je nach Charakter und Ausrichtung eine bestimmte „Wahrheit“ präsentieren? Anhand unseres Verhaltens im Web ist es nicht so schwer, unsere Grundmotive zu identifizieren. Das Fünf-Faktoren-Modell (hier geht es zum Selbsttest) geht davon aus, dass jeder Mensch sich aus fünf Bereichen unterschiedlich zusammensetzt – und diese Zusammensetzung sein Verhalten beeinflusst.
Wenn wir nun ständig und überall im Web genau die Inhalte präsentiert bekommen, die unseren Werten und unseren Vorstellungen entsprechen, verfestigt sich unser Weltbild. Der fröhlich, neugierig positive Chaot fühlt sich prächtig in einer Welt voller fröhlicher, erstaunlicher und Mut machender Menschen und Ereignisse. Der misstrauische, skeptisch besorgte Ordnungsfreund bekommt seine Ängste und Sicherheitsvorkehrungen bestätigt durch Inhalte, die ein eher gefährliches Weltbild zeigen.
Je mehr wir im Digitalen leben, und je weniger wir in der analogen Welt durch unvorhergesehene Geschehnisse und Diskussionen zum Nachdenken gebracht werden, desto mehr verfestigt sich unsere „Wahrheit“. Es wird immer schwieriger, sich konstruktiv mit anderen Menschen auszutauschen, wenn beide Seiten durch die Ergebnisse der Algorithmen in völlig verschiedenen Welten leben. Man nennt es „Filterblase“…
Wie uns Google, Facebook, Apple, Microsoft, Amazon und Co führen
Ja, das macht eine Menge mit uns, auch wenn wir erwachsen sind. Sicher erinnern wir uns daran, wie bestimmte Lehrer oder andere Autoritäten in der Schule Einfluss hatten auf unseren jungen formbaren Geist. Erwachsene brauchen vielleicht länger, um sich Idolen und Bewegungen anzuschließen als ein Jugendlicher – doch bei ständiger Infiltration wirken auch bei Erwachsenen die Manipulationen. Ob als Konsument, als Bürger oder als Werktätiger – wir werden Tag für Tag geformt in unseren Werten und (Vor-)Urteilen. Und gerade die unzähligen Inhalte und Quellen im Web geben uns das trügerische Gefühl, unsere Weltsicht durch Zahlen, Daten, Fakten untermauert zu wissen.
So sprießen nicht nur die absurdesten Theorien aus dem Boden und finden ihre Anhänger: Die Erde ist erwiesenermaßen eine Scheibe. Weltverschwörungen planen unsere Ausrottung, Gott bereitet den Weltuntergang und das Jüngste Gericht vor… Auch im Mainstream laufen wir gern Leitmeinungen hinterher und passen uns an. Da unsere Funktion als Konsument die Funktion des werktätigen Menschen zunehmend ersetzt, werden uns ständig anhand unserer Wünsche und Süchte Produkte vorgesetzt, um uns zum Kauf zu verführen.
Interessant dazu ist dieser Artikel aus der ZEIT vom 11. März 2018.
Unbedingt lesen und nachdenken! Das Unangenehmste am manipuliert werden ist, dass wir Menschen es nicht wahrhaben wollen. Schließlich sind wir stolz darauf, autarke Erwachsene zu sein! Nur mit viel Bewusstsein und Wissen können wir die Schallmauer der Einbildung durchbrechen. Natürlich sind wir manipulierbar! Wir waren es schon immer – und das Internet bietet ganz neue ungeahnte Möglichkeiten dabei.