Warum ist Ostern so entscheidend für Christen? Von Karfreitag bis Ostersonntag…

Einige meiner Freunde im Web schicken mir schon heute – am Karfreitag – frohe Ostergrüße mit Häschen und bunten Eiern. Kein Wunder, denn die christliche Botschaft, die sich um das Osterfest rankt und dort ihren Kern hat, hat immer weniger Bedeutung. Da dachte ich mir, ich erkläre es mal allen, die nicht verstehen, warum wir „hinterwäldlerischen Christen“ Karfreitag nicht gern putzen oder tanzen gehen – und was archetypisch die Geschichte von Karfreitag bis Ostersonntag erzählt über den Menschen und seine Sehnsüchte.

Was bedeutet Erlösung?

Menschen scheinen sich nach Erlösung zu sehnen, auch wenn das die physikalisch und biologisch Orientierten bestreiten und als eine von vielen Ideologien betrachten. Doch was ist Erlösung?

Erlösung bedeutet, sich aus dem Kreislauf von Ursache und Wirkung zu befreien, aus Schuld und Sühne, aus Abhängigkeit und Schmerz. Alle Religionen leben von dieser Sehnsucht, gleichgültig ob sie die Befreiung nach dem Tod ansiedeln oder sie auch innerhalb des menschlichen Lebens für erreichbar halten.

Was ist das Besondere am Christentum?

Das Christentum hängt sehr an der Lebensgeschichte von Jesu von Nazaret, einem einfachen Menschen aus dem Volk. Zu Lebzeiten erlangte er eine gewisse Berühmtheit dadurch, dass er mit seinem „Storytelling“ genau diesen Nerv der Menschen traf: Die Sehnsucht nach Erlösung kleidete er in leicht verständliche Geschichten. Und er stellte klare Erwartungen an seine Zuhörer und ihre Sehnsucht nach Befreiung: Liebt Eure Mitmenschen wie Euch selbst und nehmt Euer Kreuz auf Euch.

Diese Botschaft ist natürlich mit etwas Unangenehmen verbunden: Wenn ich alle Menschen (auch die, die mir Böses wollen) lieben soll wie mich selbst, und wenn ich das verbinden soll mit der Bereitschaft, Schmerzen zu erleiden, ohne mich gegen die Verursacher zu wehren, ist das hart. Ins Extreme führt dieser Jesus das Ganze noch dadurch, dass er klar zum Ausdruck bringt, dass nur die Besitzlosen seine Nachfolger sind. Besitz und Nächstenliebe schließen sich nämlich aus – logisch 😉

Das Wunder von Ostern

So ein religiöser Entrepreneur muss natürlich durch sein eigenes Schicksal belegen, dass seine Botschaft stimmt. Sonst würde ja die Glaubwürdigkeit schwinden. Ein verheirateter Jesus mit Haus und bescheidenem Wohlstand hätte seinen Weg zur Befreiung ad absurdum geführt. Und so entwickelte das Schicksal eine Geschichte, die die Wahrhaftigkeit der Erlösungs-Botschaft belegte.

Palmsonntag: Zunächst kam Palmsonntag mit dem Einzug der kleinen Jesus-Belegschaft in die Hauptstadt: Jesus wurde von der Menge gefeiert und begrüßt wie ein Messias (Popstar) und daran merkten die Mächtigen und Lobbyisten, dass sie das Volk wirkungsvoll manipulieren mussten, um die Gefahr des Changes abzuwenden. Wie schafft man eine solche Manipulation? Das, was das Volk verehrt (Mächtiger Volks-König, unverwundbarer Stern, wahrhaftiger Gesegneter) muss gedemütigt, entblättert, lächerlich gemacht werden.

Gründonnerstag: Dann folgte das letzte Abendmahl am Gründonnerstag, Institutionalisierung eines mächtigen Erinnerungs-Rituals (Claim, Marke, Logo…) Eng gebunden an diesen Höhepunkt der Markeneinführung war der Verrat und die Nacht, in der Jesus seine tiefsten Ängste und Zweifel auslebte. Nur wer sich traut, seinen größten Ängsten gegenüber zu treten, findet die Kraft, sich den Konsequenzen seines Seins und seines Glaubens zu stellen.

Karfreitag: Karfreitag schließlich ist ein einziger Alptraum. Entblößung, Folter, Todesurteil, die Kräfte übersteigender Gang zur Hinrichtung, das Erleben des qualvollen Todes in mehreren Phasen: Leugnung, Verzweiflung, Hingabe, Erleuchtung durch Vergebung.

Karsamstag: Karsamstag ist Ruhe. Wir Christen sagen, das Samenkorn ist nun in die Erde versunken und kann ausruhen. Der Karsamstag ist die Zeit zwischen dem Vergangenen und dem neuen Leben, welches aus dem Sterben der Frucht hervorgeht – und für das die Frucht sterben musste, damit Leben neu entstehen kann. Wie feiern diese Zeit verkürzt an einem einzigen Tag. Eigentlich müssten wir – der Bibel nach – drei Tage eine Karsamstags-Ruhe genießen – und Zeit haben, diese Gnade durch und durch zu spüren.

Ostersonntag: Ostersonntag schließlich bei Sonnenaufgang ergeht dieses unfassbare Wunder: Das Grab ist leer. Der Tod hat seine Macht verloren, die Botschaft von der Nächstenliebe, der Besitzlosigkeit und der Erlösungskraft des Kreuzes hat triumphiert über Physik und Biologie. Es gibt mehr als Evolution und Materialismus. Spiritualität und dieses uns alle verbindende Miteinander (viele nennen es „Liebe“) sind stärker als menschliche Macht und menschliche Gewalt.

Fazit

Ich weiß natürlich nicht, wie viele Menschen in sich spüren, dass da mehr ist als die Ausrichtung auf Bedürfnisbefriedigung und Hormonausschüttung, aber ich selbst glaube zutiefst daran. Ginge mir dieser Glaube an das Osterwunder verloren, würde ich wahrscheinlich depressiv. Darum schließe ich mit einem kleinen Gebet – wohin auch immer. Sagen wir, an das Universum, das sich durch Geschichten zeigt:

„Lieber Gott, bitte hilf mir in jeder Sekunde meines Lebens, meinen Nächsten zu lieben wie mich selbst. Bitte hilf mir, nicht zu verurteilen, nicht zu richten, nicht meine eigenen Glaubenssätze über die anderer Menschen zu setzen. Amen“

Bildquelle: pixabay_timeship

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Warum ist Ostern so entscheidend für Christen? Von Karfreitag bis Ostersonntag…

  • Reply Waltraud Seidel 19. April 2017 at 17:23

    Grüß Gott liebe Eva,

    das ist ein so schöner Artikel und Du sprichst mir aus dem Herzen.
    Ich bin auch immer irritiert, wenn ich am Karfreitag schon Oster-Grüße bekomme.
    Schade, dass die Bedeutung des Osterfestes bei vielen verloren gegangen ist.
    Danke, dass Du die Oster-Geschichte – moderner interpretiert – so wunderbar zu Papier gebracht hast.

    Herzliche Grüße sendet Dir
    Waltraud

    • Reply Eva Ihnenfeldt 25. April 2017 at 13:38

      Hi liebe Waltraud! Danke Dir so sehr, dass Du mich verstehst. Ja, ich brauche unsere Geschichten, um mich als Mensch zurecht zu finden in dieser komplexen Welt. Ohne Spiritualität wäre ich verloren…

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