Es wundert mich nicht, dass digitale Unternehmer wie Mark Zuckerberg Bewunderer des israelischen Historikers und Militärgeschichte-Forschers Yuhal Harari sind. Mit seinem Bestseller „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ begeisterte er viele Menschen mit der historisch aufgezeigten Erfolgsgeschichte des menschlichen Wesens. Nun schaut er in die Zukunft und beschreibt in „Homo Deus“ mögliche Szenarien, die aus diesen Errungenschaften des menschlichen Geistes entstehen können: Durch die Verschmelzung von Mensch und computerbasierten Daten entsteht seiner Meinung nach ein neues Wesen, das nicht mehr von der eigenen „Gefühlsrechenmaschine“ gelenkt wird, sondern von Algorithmen, die dieses Wesen besser kennen als es selbst.
Wenn ein Pavian in einiger Entfernung einen Bananenbaum sieht und einen Löwen, laufen in Sekundenbruchteilen unzählige Informationen in seinem Inneren ab. Gefahr, Hunger, eigene Ressourcen… anhand der unzähligen Informationen entscheidet sich das Gefühlssystem des Pavians, ob er trotz Löwe die Bananen wählt und Mut beweist, oder ob er lieber die Flucht ergreift. Für Yuhul Harari beruht unser ganzes Gefühlssystem und unsere Ethik nicht auf einem „eigenem Willen“, sondern auf dieser Gefühlsrechenmaschine, die überleben, genießen, wachsen, sich fortpflanzen will.
Nun haben wir ein Zeitalter erreicht, in dem Algorithmen beginnen, den Menschen besser zu analysieren als sein eigenes Nervensystem. Anhand der komplexen Auswertung von Webverhalten, räumlichen und zeitlichen Mustern, Kontakten, Tonalitäten, Werten, Historie, Abneigungen, körperlichen Veränderungen und Hormonausschüttungen können Algorithmen besser und präziser Entscheidungen treffen als der subjektive Mensch.
Nicht nur die Entscheidungen für oder gegen Meinungen, ethische Konzepte, Zuneigungen und Leistungsorientierungen werden zunehmend von Algorithmen getroffen – auch unser komplettes menschliches Sein beginnt, sich mit dem von Computern zu vermischen. Unsterblichkeit ist keine Fiktion mehr sondern ein realistisches Forschungsthema. Der Tod – lange als mystisches Rätsel interpretiert – wird zur technischen Problemstellung, die überwindbar ist. Der „Homo Deus“ löst sich aus seiner gefühlsmäßigen Unwissenheit und wird vom „religiösen Wesen“ zum datengetriebenen Gott.
Für mich ist dieses einstündige Interview sehr erhellend, da ich nun besser verstehe, was die digitalen Entrepreneure und politischen Entscheider antreibt, die Datenschutz und Persönlichkeitsrechte als Steinzeit-Überreste ansehen, die nur stören beim Aufbau des perfekten Menschen. Ob Algorithmen wirklich in der Lage sind, die Herrschaft über das Individuum zu übernehmen und den menschlichen Willen triumphierend als Mythos zu entlarven? Manchmal bin ich dann doch froh, schon in einem Alter zu sein, in dem das Ende absehbar ist 😉 Viel Spaß in der Unsterblichkeit – ich mach da nicht mit.