Productfocus versus Kundenfocus

Hermann Tietz, Gründer des Warenhausunternehmens Hertie, prägte einst das bekannte Zitat „Qualität ist, wenn die Kunden zurückkommen und nicht die Ware“. Allein in diesem Satz liegt viel Weisheit über den gern geführten Disput im Marketing: „Was ist bedeutender: Produktfocus oder Kundenfocus?“.

Auf der einen Seite haben wir den verwöhnten Kunden, der jede Handelsbeziehung mit einem beglückenden Erlebnis und einer emotionalen Beziehung verbinden möchte – auf der anderen Seite stehen die steigenden Anforderungen an Produkte, die immer perfekter und ganzheitlicher sein müssen, um beim Kunden Zufriedenheit auszulösen. Und wir wissen ja: Wir brauchen keine Kundenzufriedenheit, damit der Kunde zurückkommt und uns weiterempfiehlt – wir brauchen Begeisterung!

Produktfocus – das erfolgreiche Produktmanagement

Produktmanagement ist ein äußerst komplexer Bereich. Die drei wichtigsten Aufgaben im Produktmanagement sind die Produktanalyse, das Produktkonzept und die Produktoptimierung. In unserer erwartungsorientierten Zeit (selbst für B2B Kunden scheint es permanent eine Art Vorweihnachtsstimmung zu geben) sind Unternehmen gezwungen, ihre Produkte ständig weiterzuentwickeln und ständig neue Produktinnovationen auf den Markt zu bringen – und das am Besten in einer Nische, in der (noch) kein zermürbender Preiskampf herrscht.

Besonders bei digitalen Produkten kennen wir unsere eigene Ungeduld, wenn nicht alles auf Anhieb perfekt funktioniert. Eine App, die einige Sekunden lädt oder in der Menüführung unübersichtlich erscheint, wird rasch deinstalliert – und wir suchen nach einer Alternative.

Unser Smartphone muss uns jeden Wunsch von den Augen ablesen, sonst reagieren wir mit Ungeduld wie ein kleines Kind, das seinem Spielzeug böse ist, weil es nicht so perfekt reagiert wie die Mama. Bei nicht digitalen Produkten streamen wir stundenlang durch Vergleichsportale und Rezensionen – schon eine einzige negative Rezension unter hunderten guten kann dazu führen, dass wir uns enttäuscht wieder abwenden.

Wer also meint, dass Produktfocus-Marketing überholt sei, und dass es nur auf den Vertrieb und den Kundenfocus ankommt, hat Marketing vom Grundansatz her nicht verstanden: Die Produktpolitik ist das Herz des Marketings. Wer keine hervorragenden Produkte hat (ja, auch Dienstleistungen sind Produkte), wird keinen nachhaltigen Erfolg am Markt haben. Maximal ist ein vorübergehender Saleserfolg denkbar – aber eine Marke baut man so nicht auf.

Kundenfocus – das menschliche Beziehungsmanagement

Die Menschen wünschen sich grundsätzlich Vertrauen und Zuverlässigkeit von ihren Geschäftspartnern. Ob Endverbraucher (Consumer) oder Business-Kunden, Vertrauen und Verlässlichkeit sind in unserem Käufermarkt entscheidend für eine langfristige Beziehung. Wie sagte Hermann Tietz noch mal? „Qualität ist, wenn die Kunden zurückkommen und nicht die Ware“

Im digitalen Zeitalter ist die optimale Beziehung zwischen Anbieter und Kunde weitaus schwieriger zu pflegen als in der haptischen Welt. Woran erkenne ich überhaupt einen Online-Händler, wenn ich auf einem Marktplatz wie Amazon ein (hervorragendes, gut bewertetes) Produkt bei ihm kaufe? Was kann so ein Online-Händler überhaupt tun, damit der Kunde zu IHM wiederkommt und nicht von Mal zu Mal nur nach dem günstigsten Preis sucht?

Es hat also durchaus seine Berechtigung, den Kundenfocus in den Mittelpunkt zu stellen. Emotionale, individualisierte Ansprache genau zum richtigen Zeitpunkt sind mit die wichtigsten Herausforderungen, um vor der Kaufentscheidung durch die optimal gestalteten Touchpoints das Herz des potentiellen Kunden zu gewinnen.

Bloß nicht auf die Nerven gehen mit Popups oder Werbemails! Bloß nicht Werbebotschaften einspielen, die auf vergangene, erfüllte Produktwünsche anspielen! Bloß nicht das falsche Geschlecht in der Ansprache wählen oder junge Leute siezen – oder ältere Leute ungefragt duzen… Man kann so viele Fehler machen in unserer verwöhnten Käuferanspruchswelt – kein Wunder, dass schon das Gerücht vom Marketing-Burnout die Runde macht. Leichter wird es nicht…

Produktfocus und Kundenfocus – Beides ist unabdingbar

Am Anfang steht das Produkt, das Herzstück des Marketings, keine Frage. Selbst Nebensächlichkeiten können schon dazu führen, dass die Kunden das Produkt herabstufen und schlecht bewerten. Service und Kulanz in der Kundenbeziehung sind ebenfalls absolute Voraussetzung, um Kunden zu begeistern.

Hinzu kommt dann noch der schwierige Weg der Kundengewinnung. Bloß nicht ausstrahlen, man hätte es nötig, seine Produkte zu verkaufen! Bloß nicht gierig wirken oder abhängig vom Kundenverhalten. Bloß nichts fordern, bloß nicht lästig sein wie eine Sekte an der Haustür… Die Kunden von heute (ja auch die Businesskunden) wollen „wahre Liebe“ und gemeinsame Werte. Das was früher die Kirchen erfüllten an menschlichen Bedürfnissen, erfüllen heute Marken – man nennt sie „Love-Brands“.

Es ist also unnötig, das Produkt gegen den Kunden auszuspielen. Produktpolitik, Preispolitik, Distribution und Kommunikationspolitik müssen optimal aufeinander abgestimmt sein und ein rundum glaubwürdiges Bild abgeben. Dann ist es rund und dann entsteht Vertrauen. Eine herrliche Herausforderung für Unternehmer – aber einfach ist es nicht…

 

 

 

 

 

 

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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