AGG Verstoß: Wie können sich Bewerber wehren, die Diskriminierung erleben?

Gerade geht durch die Medien und sozialen Netzwerke ein Fall, bei dem sich ein Mann mit arabischem Nachnamen um einen Praktikumsplatz beworben hatte – bei einem Berliner Architekturbüro. Die Absage, die er erhielt, enthielt versehentlich auch die Anweisung der Chefin des Büros und lautet kurz und knapp „Bitte keine Araber“. Der aus Ägypten stammende Bewerber postete bei Facebook die diskriminierend rassistische Ablehnung seiner Person – von da aus fand der Post seinen Weg zu Twitter und führte zu einem gehörigen Shitstorm. In der Zwischenzeit hat das Architekturbüro mit einer Stellungnahme reagiert. Zitat: „Diese Bewerbung wurde versehentlich einer laufenden Stellenanzeige für Projekte in China zugeordnet.“. Doch wie ist das nun: Können sich Bewerber, die bei ihrer Bewerbung Diskriminierung erfahren, dank des AGG gegen solche Ablehnungen wehren?

Sogar die Journalistin und TV-Moderatorin Dunja Hayali fand auf Twitter den empörenden Text und teilte ihn. Sie war wohl aufmerksam geworden durch die türkischstämmige Lehrerin und Autorin Bahar Aslan, die sich als „Gastarbeiterkind“ seit Jahren gegen Rassismus einsetzt.

Merkur.de am 16.01.20 über die „schlimmste Absage, die man sich vorstellen kann“

Was beinhaltet das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“ (AGG)?

Das AGG trat im August 2006 in Kraft. Es setzt für Deutschland die Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Kommission um. Das AGG kann angewendet werden bei Arbeitnehmer/Innen, Auszubildenden, Stellenbewerber/Innen, Zeitarbeiter/Innen und arbeitnehmerähnliche Personen. Ob es auch bei Kündigungen aus Diskriminierungsmotiven anwendbar ist, ist noch nicht geklärt. Hier steht es in einem Spannungsverhältnis zum deutschen Kündigungsschutzrecht.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz will verhindern, dass Diskriminierungen aufgrund von  ethnischer Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität im Berufsleben erfolgen. Geschützte Personen erhalten Rechtsansprüche gegen Arbeitgeber und Private, wenn diese sich diskriminierend verhalten haben. Bei Einstellungen, Arbeitsbedingungen, dem Arbeitsentgelt und dem Zugang zu bestimmten Berufsausbildungen können die Betroffenen klagen.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, konkrete Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung zu ergreifen. Erfährt er von einer Benachteiligung in seinem Betrieb wegen ethischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Identität, muss er tätig werden, um die betroffenen Mitarbeiter/Innen zu schützen.
wbs-law.de über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Wie können sich Bewerber wehren, wenn sie bei einer Stellenausschreibung diskriminiert wurden?

Wenn ein/e Bewerber/In nachweisen kann, dass eine Nichtanstellung aufgrund von Diskriminierung (in dem konkreten Fall Rassismus)

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

erfolgte, kann ein Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht werden. Dieser Schadensersatz beinhaltet sämtliche Bewerbungskosten und eine Entschädigung für die erfolgte Persönlichkeitsverletzung. Maximal können drei Monatsgehälter gerichtlich zugesprochen werden. Da die Beweislast beim Bewerber/ bei der Bewerberin liegt, stellt sich die Frage, in welchen Fällen so ein Beweis überhaupt erbracht werden kann. Wahrscheinlich stehen nur in wenigen Fällen Aufwand und eventueller Ertrag in vertretbarem Verhältnis.

In dem konkreten Fall hat ja das Architekturbüro in seiner Stellungnahme versichert, es hätte sich um ein Missverständnis gehandelt. Bleibt also die Frage, ob Bewerber bei Verdacht auf Diskriminierung wegen Rasse, Alter, Geschlecht, Homosexualität oder der Tatsache, dass man kleine Kinder zu versorgen hat (nein, das Letztere ist wohl nicht durch das AGG geschützt) sich den juristischen Weg offen halten wollen. Zumindest ist es gut, dass es überhaupt diese gesetzlichen Bemühungen gibt.

Ich habe so einige Frauen kennen gelernt, die aufgrund ihrer Gebärmutter bei der Stellensuche extrem benachteiligt wurden. Viele Arbeitgeber schrecken davor zurück, junge Frauen im gebärfähigen Alter einzustellen. Auch Mütter und alleinerziehende Väter kennen das Problem.

Deutschland scheint immer noch von etwas zu träumen, an das wir eigentlich sehr ungern erinnert werden möchten. Vielgebärende Hausfrauen und ein Land voller deutscher Stammbäume… Zukunftsorientierte Unternehmen können das aus rein pragmatischen Gründen nicht anstreben, das wäre dumm. Rückwärtsgewandtes Agieren passt einfach nicht mehr in eine globalisierte Welt, in der immer mehr Frauen wirtschaftliche und politische Verantwortung übernehmen. Gottseidank!

Und bei allen Dunkelhaarigen und Braunäugigen, die undeutsche Namen ihr Eigen nennen, möchte ich mich stellvertretend entschuldigen für den Alltagsrassismus, den Ihr erleben müsst. Haltet durch! Lasst Euch nicht entmutigen! Sprecht es an und duldet es nicht! Sucht Euch Verbündete und wehrt Euch mit allen legalen Mitteln, die Euch zur Verfügung stehen – und Vor Allem: Nehmt Rassisten nicht zu ernst. Behaltet Euren Humor und Eure Gelassenheit. Langsam wird es ja immer besser (hoffe ich)…

 

 

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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