Covid-19-Apps in der EU: Standortdaten und Gesichtserkennung

Polen hat sich wohl in der EU für das weitgehendste System entschieden, wenn es um Corona-Warn-Apps geht. Standortdaten werden überprüft bei Menschen, die sich in Quarantäne befinden. Regelmäßig müssen die Betroffenen Fotos von ihrem derzeitigen Standort an die Behörden senden. Gesichterkennungssoftware ergänzt die automatische Überwachung. Die Installation der App ist verpflichtend. Beim derzeitigen Lockdown müssen PolInnen über die App sämtliche Aktivitäten außer Haus (Arbeit, Arzt, Lebensmittel einkaufen…) vorzeitig anmelden.

Bild von iXimus auf Pixabay 

Schaut man nach China und den Nahen Osten, sieht man Corona-Warn-Apps, die ohne Rücksicht auf Menschenrechte und Eingriffe in die Privatsphäre jeden Bürger überwachen, analysieren – gegebenenfalls sanktionieren. Soziale Kontakte können innerhalb kürzester Zeit identifiziert und angesprochen werden von den Behörden.

Doch wie ein Erfahrungsbericht aus dem Handelsblatt zeigt, funktioniert auch in der Volksrepublik China das System nicht optimal. Obwohl niemand wirklich weiß, welche individuell erhobenen Daten des einzelnen Bürgers in der „Health-Code-App“ zusammenfließen, sind die meisten ChinesInnen völlig einverstanden mit den überwachenden Maßnahmen durch den Staat.

Sicherheit statt Freiheit

Sicherheit ist ein Aspekt, der in China als Staatsaufgabe eine große Bedeutung hat. Individuelle Freiheit und Schutz der Privatsphäre hingegen werden von vielen BürgerInnen als weniger wichtig eingestuft.
Handelsblatt: Erfahrungsbericht aus China – Mit Tracking-Programmen gegen Corona

Doch wie läuft es nun allgemein in den verschiedenen Ländern der EU? In einer Sonderausgabe des Automating Society Reports 2020 werden in dem hier unten verlinkten Report 16 Länder und ihre digitalen Schutz-Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie vorgestellt. Corona-Warn-Apps sind in den meisten Ländern der EU eingeführt worden. Es gibt zentrale App-Technologien, dezentrale und (wie in Deutschland) Warn-Apps mit einem dezentralen Open-Source-Ansatz.

Trotz ADM-System Risikogebiet Polen

Polen kann allerdings trotz des rigiden und frühzeitigen Einsatzes der Warn-App nicht mit Erfolgszahlen triumphieren. Obwohl die Aufspürbarkeit jeden Bürgers über die Warn-App fächendeckend und verpflichtend ist, sind die Zahlen im Oktober und November 2020 so stark gestiegen, dass Polen Anfang November von Deutschland als Risikogebiet eingestuft wurde.

Automated Decision Making (ADM) = automatisierte Entscheidungen aufgrund von Algorithmen

Auch in dem hier verlinkten Report wird deutlich, dass Technologie nicht immer die Lösung eines Problems sein kann. Je mehr automatische Datenauswertungen und algorithmische Systeme als Grundlage von Entscheidungen dienen, desto mehr Fehler und Gesetzes-Verstöße schleichen sich ein.

So hatte in Großbritannien ein Automated Decision Making (ADM = automatische Entscheidungsfindung) die Abschluss-Benotungen von Schüler/Innen in der Pandemie ausgerechnet, da keine Prüfungen stattfinden konnten. Es gab Massenproteste gegen die generierten Benotungen – 40 Prozent der Schüler erhielten eine schlechtere Benotung, als die menschlichen Lehrkräfte vorgenommen hätten. Die Noten mussten wieder aufgehoben werden.

Bürger-Transparenz in der EU

Wir werden wohl relativ schnell auch in der EU zu mehr Bürger-Transparenz kommen, da die Gesundheitsämter und anderen Behörden mit der Kontaktverfolgung völlig überfordert sind. Die Warn-Apps der EU werden immer weiter kooperieren und sich optimieren. Standort-Daten von Android-Nutzern werden von Google schon seit Monaten an Staaten weitergegeben, wenn eine solche Anfrage gestellt wird und als gesetzeskonform eingestuft wird.

Ob wir eine demokratische, digitale Gegenwelt zu Asien und dem Nahen Osten aufbauen können, wird sich zeigen. Ich persönlich bin optimistisch. Transparenz kann auch zur demokratischen Willensbildung beitragen, wenn die Technologie genutzt wird, um auch abseits von Wahlen BürgerInnen in demokratische Entscheidungsprozesse einzubinden und Debatten digital zu ermöglichen.

Auf jeden Fall lohnt es sich, sich weiter über die verschiedenen Varianten von Corona-Warn-Apps auf der Welt zu informieren. So können wir die gesellschaftlichen Auswirkungen beobachten und lernen, wie wir autokratische Systeme verhindern können. Denn eins ist wohl klar: Ist einmal ein solches Überwachungssystem wie in Polen verpflichtend eingeführt worden, wird es schwer, es wieder rückgängig zu machen.
Onlinehaendler-news: Automatische Algorithmus-Systeme in der EU

Quelle: Algorithmwatch in Kooperation mit der Bertelsmann-Stiftung: Automatische-Entscheidungs-Systeme in 16 Ländern der EU während der Covid-19-Pandemie im Vergleich (englisch)

Corona App China

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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