2020 waren noch 51 Prozent der in Deutschland lebenden Bürgerinnen und Bürger kirchlich organisiert. Durch die Corona-Maßnahmen war es seitdem schwierig, einen Termin für den Kirchenaustritt zu bekommen – seit Frühjahr 2022 ist es in vielen Gemeinden wieder unproblematisch möglich. In der Regel übernehmen Amtsgerichte oder Standesämter die Formalitäten – und melden den Kirchen und Finanzämtern den Austritt. Die Gebühren liegen je nach Bundesland zwischen 25 Euro und 35 Euro. In einigen Bundesländern ist der Kirchenaustritt kostenlos.
Auf den Webseiten der zuständigen Behörden kann man sich erkundigen, wie der Kirchenaustritt geregelt ist. Meist ist nur die Vorlage des Personalausweises erforderlich – alternativ der Reisepass plus Meldebescheinigung. Erwünscht ist häufig die Angabe des Ortes der Taufe, das ist aber keine Bedingung. In einigen Bundesländern müssen Verheiratete die Eheurkunde vorlegen.
Bei der Antragstellung zahlt man (Bargeld passend bereithalten) die Gebühr für den Verwaltungsaufwand. Alles Weitere passiert automatisch.
Konsequenzen
Die nun Konfessionslosen gelten bei den Kirchen weiterhin als Getaufte. In der katholischen Kirche nennt man den Kirchenaustritt „Apostasie“. Das bedeutet „Abfall vom Glauben“. Ein Wiedereintritt in die Kirche ist jederzeit kostenlos möglich. Bei der katholischen Kirche gilt der Kirchenaustritt als Verfehlung und ist ein Verweigerungsgrund für eine Anstellung bei einem katholischen Träger.
Was die Kirchensteuer betrifft, kann es sein, dass in einer Ehe mit gemeinschaftlicher Steuererklärung der Ehepartner, der weiterhin in der Kirche bleibt, zukünftig mehr Kirchensteuern zahlen muss – als glaubensverschiedene Ehepartner für den konfessionslosen Ehepartner mit. Das ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt.
Steuertipps.de – Besonderes Kirchgeld
Einschränkung kirchlicher Rechte
Kirchliche Eheschließung und Patenschaft:
Nach dem Kirchenaustritt kann bei Eheschließung weiterhin eine kirchliche Ritualhandlung stattfinden. Die katholische Kirche ist hierbei strenger als die evangelische Kirche. Eine Tauf-Patenschaft ist ein kirchliches Amt und nach Kirchenaustritt nicht mehr möglich.
Getaufte Kinder:
Getaufte Kinder von Konfessionslosen bleiben mit allen kirchlichen Rechten ausgestattet. Kommunion, Konfirmation, Firmung – der Kirchenaustritt der Eltern bzw. eines Elternteils ist hierfür unwichtig.
Beerdigung:
Bei Kirchenaustritt ist nicht zu befürchten, dass die Angehörigen Probleme bei der Beerdigung bekommen. Auch die Bestattung von Konfessionslosen auf kirchlichen Friedhöfen ist Normalität. Nur eine kirchliche Trauerfeier muss für den Einzelfall beantragt werden, wenn es den Angehörigen wichtig ist. Heute gibt es allerdings schon viele alternative Bestattungsmöglichkeiten, die durchaus attraktiv sind, schon allein wegen der entfallenen Grabpflegepflichten: anonyme Bestattung, Waldbestattung, Seebestattung sind trotz Friedhofszwang in Deutschland möglich. Abgesehen von Seebestattungen in Nord- oder Ostsee und von Bestattungen der Urne in ausgewiesenen Wäldern sind friedhofsferne Bestattungen nur über das Ausland möglich.
Meine Gründe für den Kirchenaustritt am 31. Mai 2022
Ich bin katholisch getauft, Tochter eines katholischen Vaters und einer evangelischen Mutter. Seit dem Tod meines Vaters im Jahr 2008 habe ich den aktiven Kontakt zur katholischen Kirche verloren. Das tat mir einerseits sehr leid, da ich gern im Kirchenchor war und gern mit meinem Vater sonntags zur Messe ging. Doch ohne seine Begleitung fielen mir immer mehr Dinge auf, die mich abgestoßen haben – in erster Linie das erzwungene Doppelleben der Pfarrer, die in der Regel Partnerinnen hatten, die versteckt und verleugnet wurden.
Durch die vielen Missbrauchslaufdeckungen wurde ich immer zorniger darüber, dass ein Verbrechen, das Kinderseelen folternd tötet, in den Männerbündnissen der katholischen Kirche so selbstverständlich gedeckt wird – auch heute noch und auch in Deutschland.
Weiterhin stört mich die dogmatische Auslegung der Bibel, die meines Erachtens auch das Wesen Jesu missachtet. Ich fragte mich, ob er selbst wohl Mitglied der katholischen Kirche bleiben würde. Vor einigen Wochen erfuhr ich, dass mein großes christliches Idol, Eugen Drewermann, 2005 zu seinem 65. Geburtstag aus der Kirche ausgetreten ist. Er sagt, dass er diesen Schritt aus Befreiung wahrgenommen hat. Ich kann ihn verstehen.
Für eine Frau ist es eigentlich sowieso nicht möglich, die katholische Kirchenideologie mitzutragen, da Frauen zwar in den Gemeinden durch ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten die komplette Gemeindearbeit mehr oder weniger allein bewältigen, doch von Entscheidungsbefugnissen, Amt und Würden mehr oder weniger ausgeschlossen sind. Zuletzt kam für mich hinzu, dass katholische Gemeinden in der Regel gerade die Adressaten der Bergpredigt meiden. Arme, Schwache, seelisch Erkrankte haben im Gemeindeleben keinen Platz. Doch gerade diese brauchen spirituellen Trost, Gemeinschaft und Seelsorge.
Die Kirchensteuer, die ich einspare, spende ich nun direkt an Institutionen aus der Region, die sich um Obdachlose, Süchtige, psychisch Kranke, Einsame und Verzweifelte kümmern und sie mit Essen und Würde versorgen. Dadurch habe ich ein gutes Gewissen, da nun mein Geld direkt da ankommt, wo es eingesetzt wird für die Adressaten der Bergpredigt. Das nämlich bedeutet für mich Kirche: Sich an den Schwächsten orientieren und für sie da sein.
Das Prozere selbst war völlig unproblematisch. Per E-Mail habe ich beim Amtsgericht um einen Termin frühmorgens gebeten. Per Mail erhielt ich den Termin schon am nächsten Tag. Anderthalb Wochen später war ich vor Ort. Wartezeiten hatte ich keine. Ich legte meinen Personalausweis vor, die junge Sachbearbeiterin nahm die Daten auf und fragte nach dem Ort der Taufe. Ich unterschrieb den Antrag. Anschließend zahlte ich an der Zahlstelle 30 Euro in bar ein und erhielt eine Quittung. Nach insgesamt 15 Minuten war ich wieder draußen.
SPIEGEL vom 16. April 2022 – Alles zum Thema Kirchenaustritt
Hallo Eva,
ich würde gerne das System Kirche nicht mehr unterstützen. Und es gebe bei mir jede Menge Gründe, warum ich ihr den Rücken kehren würde. Aber ich glaube damit würde ich mir ein „Eigentor“ schießen. Vieles was mir als gläubiger Mensch wichtig ist, dürfte ich nicht mehr. Zum Beispiel ist mir der Kommunionempfang sehr wichtig. Auch, wenn ich zum Gottesdienst gehen würde, würde ich mich zur Glaubensfamilie nicht mehr dazugehörig fühlen.
Was du zur Beerdigung geschrieben hast ist so nicht ganz richtig. Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind bekommen in der Regel kein kirchliches Begräbnis.
Ich habe schon reichlich Beerdigungen gehabt, wo die Angehörigen ihren verstorbenen Menschen kirchlich beerdigen lassen wollten und ihnen das verweigert wurde, weil der Verstorbene aus der Kirche ausgetreten war.
Nach den vielen „Wunden“, die mir die Kirche zugefügt hat, werde ich immer mehr zum Kämpfer für die Kirche und sage: „Lieber Auftreten, als Austreten“.
Ich würde mir ein anderes Steuersystem wünschen. Vielleicht eine „Kultursteuer“ oder „Sozialsteuer“, wo ich dann direkt Projekte unterstütze und ich nicht aus der Kirche auszutreten brauche.
Schöne Grüße,
Reginald
Wie wunderwunderschön Du schreibst, lieber Reginald. Ich war vor meinem Schritt richtig ängstlich, dass ich genau das bereuen würde, was Du ansprichst: Keine heilige Kommunion mehr, kein kirchlicher Segen bei der Beerdigung (ich habe nur geschrieben, dass man weiterhin auf kirchlichen Friedhöfen liegen kann – aber auf den Pfarrer bei der Feier verzichten muss). Aber merkwürdigerweise ist etwas ganz anderes passiert. Nun kann ich verstehen, wie Eugen Drewermann den eigenen Schritt aus der Kirche in einer Talkshow von 1998 beschreibt: Als Befreiung. Fühle mich seitdem als „Freie Jesus People“ und schäme mich kein bisschen vor meinen geliebten katholisch gebliebenen Gemeindefreunden/Innen. Genau das Gegenteil: Ich hab sie so lieb für ihre Treue und Demut. Sie wissen ja wie Du alle um die Unmenschlichkeit vieler kirchlicher „Gesetze“. Familie verlässt man nun mal nicht, auch wenn sie vieles macht, was man nicht ok finden kann. Sei lieb gegrüßt und meine absolute Hochachtung vor Deiner Treue. Und danke für diese so wichtigen Worte