Überwachung im Internet: Rund 1.000 Datenhändler verfolgen komplett unser Verhalten im Web

Seit Monaten suche ich nach Informationen darüber, wer wie wann und was von unseren Bewegungen im Internet verfolgt. Tracking ist hierbei das Schlüsselwort, das zu Antworten führt. Mitte August 2016 gab es im Deutschlandfunk einen guten Bericht zum Thema Webtracking, der mich dann doch überraschte: Rund 1.000 kommerzielle Datenhändler überwachen und verfolgen unser Verhalten im Internet so gut wie lückenlos. Ob Smartphone, Tablet, Desktop oder ein anderes internetverbundenes Gerät: Es gibt kaum eine Möglichkeit, sich gegen die Überwachung zu wehren. Die Datenhändler kooperieren sehr gut miteinander, und einige von ihnen verkaufen diese Überwachungsdaten auch an Nachrichtendienste und andere Sicherheitsbehörden. Man muss also nicht mehr zwischen Behörden und Unternehmen unterscheiden. Es ist egal.

Datenkraken Facebook und Google?

Immer wieder werde ich in meinen Trainings zu Social Media Marketing damit konfrontiert, dass Teilnehmer sich weigern, Daten-TrackingFacebook oder Google-Dienste zu nutzen, weil sie ihre Daten schützen wollen. Lustig ist dann, wenn jemand im Inbrunst der Überzeugung sagt: „Ich gehe nicht zu Facebook – ich nutze nur WhatsApp und Instagram!“. Und das, obwohl doch wohl Jeder wissen müsste, dass WhatsApp und Instagram Facebook-Unternehmen sind. Aber, seufz, was soll man machen, wenn der Mensch sich handlungsfähig fühlen möchte, setzt der Verstand gern aus.

1.000 internationale Datenhändler tauschen, ergänzen, verkaufen – wie in einer Börse!

Kaum zu glauben, dass unsere Regierungen dieser lückenlosen Überwachung bisher so untätig zugeschaut haben. Das mag zum Teil daran liegen, dass die digitale Kompetenz in den Behörden und Ministerien der Realität weit hinterherhinkt – doch wahrscheinlicher ist, dass die gute Zusammenarbeit zwischen kommerziellen Datenhändlern und Ordnungsdiensten nicht gestört werden soll. Wer interessiert sich schon für Privatsphäre?

Tracking-Schutz beim Online-Banking?

Auch Online-Banking wird von Drittanbietern bei vielen Banken getrackt, wie kürzlich berichtet wurde (Siehe Quellenangaben am Ende des Beitrags). Von anonymisiert bis zu den persönlichen Kontobewegungen wird anscheinend alles praktiziert – je nach Bank. Allerdings gibt es auch Banken, die das nicht tun und ihre Kunden vor Tracking schützen.

Tracking transparent zu machen, ist weit weniger aufwändig, als man denken mag. Auch wenn die Datenhändler kaum bereit wären, ihre Praxis offenzulegen, erfährt man genug, wenn man auf den einzelnen Websites, E-Mail-Providern, Social Networks, Apps und Plattformen mit Hilfe einer Sicherheitsbox prüft, wer dort zugreift. Zitat Deutschlandfunk: „Die technische Ausstattung war nicht anspruchsvoll: Eine Sicherheitsbox namens Trutzbox, die als Router fungiert. Dazu Software, um den Netzverkehr am eigenen Router analysieren zu können und Tools wie ip-check.info, browserspy.dk oder audiofingerprint, um genau verfolgen zu können, welche Webserver welche Daten vom Browser haben wollen, wenn ein ganz normaler Internetnutzer surft.“

Cookies werden bei diesen Tracking-Methoden immer unwichtiger, da es heute weit genauere Identifikationsverfahren gibt. Jeder Webnutzer produziert auf seinem Gerät einen genauen Fingerabdruck durch die individuellen Einstellungen, die er vorgenommen hat. Kein Gerät ist identisch mit einem anderen – so wird jeder Nutzer eindeutig identifiziert, auch wenn er sich bemüht, keine personenbezogenen Daten zu hinterlassen – oder für bestimmte Dienste wie Facebook gesonderte Browser nutzt und ständig Cookies löscht. Hinterlässt vielleicht ein gutes Gefühl – bringen tut es kaum etwas.

120 bis 260 Datenabfragen beim Besuch einer Nachrichtenseite – rund 100 bei Online-Shops

Bei der Untersuchung mit der Trutzbox konnte die Zusammenarbeit von einigen großen Datenhändlern und Marktforschern recherchiert werden. War früher die Facebook-ID zentral entscheidend, um das Verhalten des Webusers zu protokollieren, haben die großen Datenhändler nun eine eigene Nutzer-ID entwickelt, die mit anderen Anbietern ausgetauscht wird. Diese Nutzer-ID funktioniert geräteübergreifend – also auch für den Handel mit Bewegungsprofilen.

Die persönlichen Daten des Nutzers werden über E-Mail oder Telefonnummer ermittelt. Dabei spielen Social Media Accounts eine große Rolle – aber auch Web-Mail-Anbieter. Das System ist in den letzten Jahren so ausgefeilt geworden, dass ein effektiver Schutz für den Einzelnen kaum möglich ist. Sicherheitsboxen können helfen, Datenabfragen zu erkennen, den anonymisierten Browser Tor zu nutzen und Tracking-Tools auszuschalten – doch das ist mühselig und wohl eher etwas für Profis. Die eigentliche Verantwortung liegt in der Politik und beim Gesetzgeber.

So lange sich der Staat, der ja ebenfalls von der Datensammelwut der Händler profitiert, ungestört aus der Komplettüberwachung heraushalten kann, und so lange es keinen wirksamen politischen Widerstand gibt gegen die Missachtung der informationellen Selbstbestimmung, wird die Technik weiter perfektioniert. Irgendwann werden wir das bereuen, doch zurückdrehen lässt sich das Rad wohl kaum…

 

 

 

 

 

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Überwachung im Internet: Rund 1.000 Datenhändler verfolgen komplett unser Verhalten im Web

  • Reply Euro 12. Oktober 2016 at 13:09

    Social Share Buttons auf Webseite sind auch „Spionen“ – die können Daten für die Tools Besitzer von jedem User sammeln nicht Persönlichen Daten, sondern: IP, Browser, welche Seiten User besucht u.s.w. Eher kommerziellen Daten, eigentlich harmlos.

  • Reply Serie zu „Künstliche Intelligenz“ Teil 4: Google "Deep Mind" - Steadynews | 31. Oktober 2016 at 10:38

    […] Die Giganten des Internetzeitalters besitzen gemeinsam unzählige Daten, die sich zwar häufig überschneiden – aber auch häufig ergänzen. Darum ist es bei allen BigData-Unternehmen üblich, im kooperierenden Wettbewerb zu stehen, um ihre Angebote zu optimieren. Siehe „Rund 1.000 Datenhändler verfolgen unser Verhalten im Web komplett“. […]

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