Überall spricht man in Deutschland über den Fach- und Führungskräftemangel. Dabei sind diese beiden Bereiche von hoch qualifizierten Mitarbeitern grundlegend verschieden: Fachkräfte sind Experten, die in ihrem speziellen Fachgebiet eine herausragende Stellung einnehmen mit ihrem Wissen, ihrer Handlungskompetenz und ihren Problemlösungs-Fähigkeiten. Führungskräfte hingegen haben Personalverantwortung, die sie in der Regel neben ihren anderen Managementaufgaben zu bewältigen haben.
Da Mitarbeiterführung immer komplexer und anspruchsvoller wird in einer Zeit, in der die Ansprüche der Mitarbeitenden wachsen und die digitale Revolution ein immer rasanteres Tempo an Veränderung vorgibt, ist es keine Überraschung, dass die Bereitschaft zu Führungsaufgaben vor allem beim Unternehmens-Nachwuchs geringer ist als in früheren, stabileren Zeiten.
Will ich Führungskraft werden?
Häufig rutschen Fachkräfte durch Beförderung in eine Führungsrolle, die sie nicht wirklich durchdacht haben. Häufig erscheint das höhere Gehalt attraktiv, und auch der Wunsch, Einfluss auf die Unternehmenskultur und den Unternehmenserfolg zu haben, kann verlockend sein. Und doch ist es ratsam, früh genug mit Bewusstsein zu durchdringen, was es bedeutet, ein Team zu führen und Personalverantwortung zu tragen.
Nicht nur privat, auch und gerade beruflich sollte man an der Klärung der eigenen Lebensziele und an der Fähigkeit, Visionen und Ziele strategisch umzusetzen, arbeiten. Über professionelles Coaching und Karriereberatung erfahre ich nicht nur mehr über mich selbst – ich erhalte auch Zugang zu karrierefördernden Netzwerken und lerne, mich bestmöglich am Markt zu positionieren. Vor allem erfahre ich eins: Will ich wirklich Führungskraft sein und Mitarbeitende Tag für Tag motivieren und stärken?
Was bedeutet es, Führungskraft zu sein?
Macht es mir Spaß, meine Mitarbeitenden zu motivieren, ihr Bestes zu geben? Kann ich mir wirklich vorstellen, empathisch und vertrauensvoll Verantwortung an mein Team abzugeben und ihnen gelassen den Rücken freizuhalten, wenn mal wieder etwas schiefgegangen ist? Woher nehme ich die Zeit, immer ein offenes Ohr für Probleme und Wünsche der Mitarbeitenden zu haben, niemanden zu bevorzugen und niemanden zu benachteiligen? Woher nehme ich die Kraft, authentisch zu kommunizieren, ohne Gefühle zu verletzen und womöglich gerade die Besten zu demotivieren?
Vielleicht möchte ich lieber einfach Anweisungen geben, die dann auch eingehalten werden? Ich kann ja nicht dauernd Einzelgespräche führen und Feedback-Runden moderieren – schließlich habe ich noch andere Aufgaben zu bewältigen! Allem voran muss ich es schaffen, den ständigen Change-Prozess zu verstehen und zu organisieren, um den so gut wie kein Unternehmen herumkommt im Zeitalter des digitalen Wandels.
Die Zahlen müssen stimmen, neue Produkte und Projekte müssen gemanagt– und die Kunden zufriedengestellt werden. Nicht zu vergessen: Die vielen Meetings innerhalb des Führungsbereichs, an denen ich teilnehmen muss, sind politischer Natur – wenn ich wirklich Einfluss auf das Unternehmen haben will, muss ich strategisch vorgehen und mich in Netzwerken engagieren.
Berufliche Erfüllung als Führungskraft
Trotz all dieser Herausforderungen kann es sehr erfüllend sein, als Führungskraft zu arbeiten. Nicht umsonst sagt man, die besten Führungskräfte sind Mütter, die älter als 45 Jahre alt sind. Die eigenen Kinder werden flügge und man hat sehr gut gelernt, was es bedeutet, Konflikte unter Geschwistern zu schlichten, in Krisen die Mutlosen aufzurichten, den Leistungswillen jedes Einzelnen zu fördern durch Motivation, Begeisterung, Wertschätzung, aufrichtiges Lob und Verständnis.
Wichtig ist, dass die Unternehmensführung hinter ihren Führungskräften steht, denn auch diese brauchen Lob, Wertschätzung und Anerkennung. Die wirkliche berufliche Erfüllung findet die Führungskraft Tag für Tag, wenn das Team ehrlich und zugewandt zeigt, dass sich die Teammitglieder gut aufgehoben fühlen unter ihrer Leitung, dass sie gern zur Arbeit kommen, engagiert arbeiten können und stolz auf das gesamte Team und die gemeinsamen Erfolge sind.
Lob, Anerkennung und Wertschätzung
In einer Zeit, in der wir Menschen immer mehr fachliche Kompetenz abgeben müssen an Datenspeicher, lernende Algorithmen, kognitive Systeme, Maschinen und deren digital errechneten Entscheidungen, gibt es nur noch eine Sache, bei der uns Künstliche Intelligenz nie das Wasser reichen kann: Empathie.
Hatten die Mitarbeitenden früher Respekt vor ihrer Führungskraft, wenn diese ihnen wissens-, organisations- und erfahrungsmäßig weit überlegen war, brauchen sie heute Chefs und Chefinnen, die ihnen empathisch zur Seite stehen und ohne Gesichtsverlust eingestehen können, dass diese Maschinen ihnen allen an Wissen und fachlicher Problemlösungskompetenz überlegen sind.
Was wir Menschen jedoch herausragend gut können und was Fach- und Führungskräfte miteinander verbindet, ist die Fähigkeit, mit Sinnen, Gefühlen, Mitgefühl und menschlichem Verständnis zu arbeiten, das Beste zu bewirken und Höchstleistungen zu erbringen in allem, was das Lebendige betrifft.
Lasst uns lernen, tagtäglich die Menschen um uns herum zu loben und mit Anerkennung zu überschütten, lasst uns lernen, in alle Richtungen Wertschätzung zu empfinden – und lasst uns stolz darauf sein, dass wir in der Lage sind, unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst. Ob Kunde, Chef, Kollege, Lieferant oder Auszubildender – alles unsere Nächsten – und mittendrin sind wir.