Fast Furniture bezeichnet die zunehmende Kaufleidenschaft der Menschen in Bezug auf Möbel. Möbelstücke in Deutschland werden immer kürzere Zeit verwendet, bevor sie weggeworfen oder gebraucht verkauft werden. Ex und Hopp hat sich von Konsumgütern wie Kleidung, Schuhen, Elektrogeräten, Haushaltsgegenständen, Fahrzeugen, Spielwaren, Medien, Dekorationsmaterial etc., längst auch auf Möbel verlagert, die früher noch von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Das führt zu erheblichen Umweltproblemen, nicht nur bei der Entsorgung, sondern auch bei der Produktion.
Fast Furniture
Die Lebensdauer von Möbeln, die in der Regel in Möbelhäusern und bei Möbeldiscountern erworben werden, wird immer kürzer. Möbel, die qualitativ hochwertig in Handarbeit hergestellt werden, gibt es nur noch sehr selten. Für den klassischen Sperrmüll verlangen viele Kommunen erhebliche Gebühren und haben Kataloge von einschränkenden Regeln – sodass immer mehr Menschen bei der Heimneugestaltung lieber einen Sperrmüllcontainer bestellen, statt sich um einen Sperrmülltermin zu bemühen.
Ist es überhaupt noch vorstellbar, mit den gebrauchten Möbeln früherer Generationen zu leben und vielleicht sogar Liebe und Stolz dabei zu empfinden? Ja, bei wertvollen Möbelstücken und emotionalen Erinnerungsstücken gibt es das durchaus noch, doch diese geliebten Möbelschätzchen werden dann in der Regel kombiniert mit einer Ausstattung, die einem der gegenwärtigen Trends entspricht.
Fast Fashion
Die Medien sind voll von erschreckenden Tatsachen zu unserer Kaufsucht in Bezug auf das, was wir am Leibe tragen. Altkleidersammlungen werden immer unattraktiver, da die weggeworfenen Textilien kaum noch einen Wert für neue Besitzer haben. Die Gifte hingegen, die bei der Vernichtung der Kleidungsstücke, Schuhe, Bettwaren und Dekorationsstoffe entstehen, machen eine ordnungsgemäße Vernichtung teuer.
Dann gibt es noch Fast Decor, Fast Leisure Time, Fast Holidays, Fast Technology, Fast Dates… Konsum findet nie eine befriedigende Befriedigung, Konsum ist ein nicht zu sättigenden Bedürfnis – es sei denn, das Mängelwesen Mensch wandelt seine Konsumwünsche in Konsumverzicht. Doch wer kann das schon?
Ist Konsum eine schlechte Charaktereigenschaft?
Nein, Wünsche und Bedürfnisse im Austausch mit der Umwelt gehören zum Wirken des sozialen Mängelwesens Mensch dazu. Während Tiere sich auf ihre Grundbedürfnisse fokussieren und höchstens dann weitgehendere Verlangen entwickeln, wenn sie in einer sozialen Beziehung zum Menschen stehen, sind Menschen Lebewesen, die nach „mehr“ streben und die sich im Laufe der Jahrtausende immer weiter entwickelt haben.
Menschen sind „social animals“, die sich ständig in einem Vergleichsprozess befinden. Sie brauchen soziale Vergleiche, um sich orientieren zu können und ihre Identität zu bestimmen. Dabei geht es nicht nur um Status und gesellschaftlichen Rang, es geht genauso auch um das Streben nach Gemeinschaft, das sich durch Nachahmung formt.
Vor einigen Tagen erzählte mir eine Irakerin, dass sie total überrascht war, wie wenig Geselligkeit hier in Deutschland gepflegt wird. Während im Irak die Menschen jede Gelegenheit nutzen, um gemeinschaftlich auf der Straße zu feiern, zu lachen, Freude zu haben, sind wir Deutschen eher darauf bedacht, uns in unsere Privatsphäre zurückzuziehen. „Im Irak sind bei den religiösen Festen die Häuser alle leer“ lachte sie. „Alle Menschen sind draußen und haben Spaß – die Häuser sind leer! Hier in Deutschland sind die Familien an Weihnachten zu Hause und feiern allein für sich.“
Selbstverständlich ist es auch für Iraker verführerisch, sich schöne Kleider, Möbel, Erlebnisse und Unterhaltungselektronik zu kaufen, doch es kann schon sein, dass das Bedürfnis des heimverschönernden Konsums besonders stark in den Gesellschaften ausgeprägt ist, die sich (wie in den Corona-Jahren) mehr und mehr auf ihren Rückzugsort fokussieren. Die soziale Mangelhaftigkeit und Vereinzelung lässt sich tatsächlich zu einem großen Teil durch Konsum besänftigen, wobei auch Erlebniskonsum und Reisen in andere Kulturen und Naturräume eine wichtige Rolle spielen.
Soziale Medien
Unsere Möglichkeiten der sozialen Vergleiche haben sich durch die sozialen Medien und die ständige Verbindung mit dem weltumfassenden Internet in nie dagewesene Unermesslichkeit gesteigert. Das führt zu Verwirrung und Orientierungslosigkeit – auch, weil man in den sozialen Medien nie sicher sein kann, was wahr ist und was fake.
In unserer Bewertungsgesellschaft bekommen wir immer und immer wieder einen unbarmherzigen Bewertungsspiegel vor die Augen gehalten. Zu hässlich, zu dick, zu unsportlich, zu arm, zu alt, zu erfolglos, zu einsam, zu unoptimiert…
Selbstverständlich weiß die Konsumindustrie, wie sehr das „social animal“ Mensch auf Austauschprozesse und Interaktionen mit anderen Menschen und Gruppen angewiesen ist. Ob Produkte, Urlaubsreisen, interessante Gespräche mit Freunden oder mediale Erlebnisse, wir brauchen den Konsum von Austauscherlebnissen, um Glück zu empfinden. Doch leider produzieren wir mit diesen sehr menschlichen Bedürfnissen nicht nur Überdruss, Spaltung und seelische Erkrankungen – sondern auch unermesslichen, planetenzerstörenden, giftigen Müll.
Bisher hat der Mensch es immer wieder geschafft, Auswege zu finden in ausweglosen Situationen. Ich gehe davon aus, dass wir Menschen uns auch dieses Mal nicht einfach in die Selbstzerstörung begeben – doch leicht ist es nicht. Neben der Konsumsucht und dem damit verbundenen Müll haben wir da ja auch noch die Künstliche Intelligenz, den ewigen Kampf um die Weltherrschaft, ganz neue Waffensysteme, die sich auf den Kosmos ausdehnen und die zunehmende Spaltung der Menschen bis hin zu isolierten Ein-Mensch-Gesellschaften. Mal sehen, was wir daraus machen. Neugierig bin ich schon…