“Social Media Marketing Praxis 2012″: Buch Kapitel 22: Bewertungen

Sind Bewertungen, Likes, Shares, Googles Plus’ses und Fav’s (Sternchenvergaben) die wichtigsten Werbemittel der neuen Zeit? Und falls das so ist, wie kann man als kleines Unternehmen aktiv daran arbeiten, möglichst viele gute Bewertungen zu erhalten? Welche Bewertungstools sind relevant? Welche Branchen sind besonders auf Bewertungen angewiesen? Und wie wirken Bewertungen auf die Kaufentscheidungen ein? Das alles sind Fragen, denen wir uns in diesem Kapitel zuwenden wollen.

Empfehlungen und Kaufentscheidungen im “Real Life”

“90% der Aufträge kommen über Empfehlungen, doch für die restlichen 10% muss man 90% tun” – so lautet ein bewährtes Gesetz in der Werbung. Empfehlungen sind tatsächlich das, was in erster Linie dazu führt, dass wir uns für einen Arzt, einen Film, einen Handwerker, einen Fernseher oder ein Restaurant entscheiden. Warum empfehlen Menschen überhaupt weiter? Und auf wen haben sie Einfluss?

Je emotionaler ein Erlebnis, desto mehr wird darüber geredet. Liebe geht bekanntlich durch den Magen, und geteilte Freude ist doppelte Freude. Kein Wunder, dass besonders die Gastronomie auf Weiterempfehlungen angewiesen ist, und auch Ärzte erhalten neue Patienten vor allem dadurch, dass ein geheilter Patient von der menschlichen wie fachlichen Kompetenz und Authentizität des Arztes begeistert ist. In erster Linie wird also weiterempfohlen, was außerordentlich war – was uns begeistert hat in einem emotional empfänglichen Zustand.

Noch häufiger wird erzählt, wenn sich jemand geärgert hat: über die unfreundliche Kassiererin, den miserablen Kundenservice, den unfähigen Handwerker oder den Anwalt, der viel kostete – aber nichts einbrachte. Auch diese negativen Bewertungen haben mit aufgeladenen Emotionen zu tun, und ein schlechter Ruf kann tatsächlich eine Existenz gefährden. Kluge Unternehmen achten immer auf einen tadellosen Ruf.

Empfehlungen im Web

Was bedeutet das für die virtuelle Welt? Sind im Web die Bewertungen ebenso wichtig wie die von Freunden und Verwandten im persönlichen Gespräch? Beobachten Sie sich selbst: Sie wollen ein italienisches Restaurant besuchen und lesen die Bewertungen von völlig Fremden im Netz – zufällig gefunden, weil Sie die Adresse ergooglet haben. Beeinflussen Sie die Sterne und Kommentare? Kann es sogar sein, dass gerade fremde Stimmen einen hohen Einfluss auf unsere Kaufentscheidungen haben, da wir keine Motive damit assoziieren wie vielleicht beim Nachbarn, der ja sowieso immer über ausländische Restaurants meckert – und den wir nicht so richtig ernst nehmen, weil wir ihn kennen?

Die meisten Menschen lesen Bewertungen mit einem detektivischen Blick. Sie versuchen, gefakte Bewertungen von authentischen anhand von Indizien wie Marketingsprache, routinierter Formulierung, seelenlosen Floskeln zu unterscheiden. Haben sie den Eindruck, dass ein Restaurant gefälschte Bewertungen fördert, ist es ein für alle Mal unten durch – man empfindet Ablehnung. Liest man hingegen von wildfremden Menschen persönliche Erlebnisse, zaubert die Bewertung ein szenisches Bild – dann glauben wir es gern und freuen uns auf einen erlebnisreichen köstlichen “Kurzurlaub” mit dem charmanten Kellner und dem phantasievoll dekorierten Teller.

Produktbewertungen und Kaufentscheidungen

Sie wollen als Frau einen Rasierapparat verschenken – wie gehen Sie vor? Wieder wird in vielen Webusern der Detektiv wach. Man beginnt mit der Suchanfrage, stößt auf besonders gut bewertete Rasierer, liest möglichst viele Bewertungen, findet die günstigsten Preise und registriert die Sterne der Shopbewertungen – denn neben dem besten Preis ist auch das Vertrauen in den Shop sehr von Belang – ein Grund, warum sich viele Käufer besonders gern für amazon entscheiden, denn amazon steht für hohen Kundenservice.

Natürlich wissen wir, dass auch bei amazon viele Bewertungen von den Herstellern selbst in Auftrag gegeben wurden, dass die Preisvergleichseiten und Konsumentencommunities wie Ciao auch ein Sammelbecken sind für “Crowd-Worker”, die für 1 bis 3 Euro pro Beitrag Bewertungen auf Bestellung liefern. Doch trotzdem beeinflussen uns Bewertungen stark. Bei einer Studie der DSAF in Zusammenarbeit mit der FH Münster (Juni 2011) gaben 80 Prozent der 1.300 Teilnehmer an, durch Testberichte im Web bei Kaufentscheidungen beeinflusst zu werden.

94% der Kunden werden der Studie nach beeinflusst beim Kauf von elektronischen Geräten, bei Reisen und Hotels sind es 84%. Bei Autos vertrauen 67% den Empfehlungen und Erfahrungsberichten, ähnlich stark beeinflusst sind Käufe von Software und Dienstleistungen der Telekommunikation. Bei Handwerkern und Ärzten sind erst 15% sensibel für Web-Bewertungen – bei Lebensmitteln sogar nur 5%.

Welche Bewertungsportale sind besonders relevant?

Eine schwierige Frage, da gerade jetzt sich sehr viel in der Bewertungslandschaft tut. Mit der Einführung von Google Plus versucht Google offensiv, Bewertungen an die eigenen Plattformen zu binden – aus Google Places und Google Shopping sind die Bewertungen von qype, holidaycheck, tripadvisor etc verschwunden bzw. auf eine eigene Seite verschoben worden.

Google will mit einer ausgeklügelten Software gefälschte Bewertungen aussortieren. Ein neu entwickeltes Programm der Cornell Universität erkennt anscheinend 90 Prozent von manipulierten Einträgen. Die vielen erfolgreichen Portale, die bisher gefakte Bewertungen duldeten, da es vor allem um Masse statt Klasse ging, stellen sich ebenfalls mehr und mehr um – niemand will gefakte Bewertungen, sie machen das Geschäftsmodell auf Dauer kaputt – wie Unkraut, dass die gute Saat überwuchert.

Was können kleine Unternehmen tun, um mit Bewertungen zu arbeiten?

Die neuste Entwicklung im Bewertungsdschungel ist für kleine Unternehmen sehr erfreulich. Denn gefakte Bewertungen nutzen vor allem großen Unternehmen, die ein hohes Budget sowohl für automatisierte Suchmaschinenoptimierung als auch für die schlecht bezahlte Arbeit der Crowd-Worker zur Verfügung haben. Auch viele renommierte Marken scheuen sich bisher nicht davor, massenweise Bewertungen einzukaufen – was manchmal zu abstrus hohen Bewertungszahlen für eine Kaffeemaschine, einen Fernseher oder ein anderes teures elektronisches Unterhaltungsgerät führt.

Für kleine Unternehmen geht es vor allem darum, zufriedene Kunden zu überzeugen, sich die Mühe zu machen, ihrer Zufriedenheit im Web schriftlich Ausdruck zu geben. Man muss Anreize schaffen, um positive Bewertungen zu fördern – jedoch stets, ohne sich anzubiedern oder in den Verdacht der Bestechung zu geraten. Welche Instrumente stehen hier zur Verfügung?

Vorneweg: Dass in erster Linie elektronische Geräte bewertet werden, soll nicht heißen, dass die positive Bewertung eines Handwerkers oder einer psychologischen Praxis weniger wert sind! Denn gerade da, wo bisher noch wenig bewertet wird, fallen positive Stimmen sehr ins Gewicht, da sie auffallen und sich der jeweilige Anbieter von seinen Mitbewerben deutlich anhebt.

Je weniger Bewertungen vorhanden sind, desto entscheidender ist die Vertrauenswürdigkeit des Erfahrungsberichts – also bitte Vorsicht mit manipulierten Einträgen . die gehen sehr schnell nach hinten los. Gerade bei kleinen Unternehmen kommt die Wahrheit leichter ans Licht, als man denkt, damit sollte man nicht leichtfertig spielen. Ein Arzt, der entlarvt wird, wird einen dermaßen irreparablen Schaden erleiden, dass er es wahrscheinlich lange bereuen wird, den kurzen bequemen Weg gegangen zu sein – es geht nämlich auch anders!

Kunden, Patienten und Gäste zu Empfehlungen animieren

Haben Sie eine Facebook-Fanpage? Bieten Sie aktiv Ihren Kunden die Möglichkeit, sich über Ihr Produkt bzw. über Ihre Dienstleistungen auszutauschen? Weisen Sie Ihre Kunden (z.B. auch über einen Mail-Newsletter oder im persönlichen Gespräch) darauf hin, dass Sie sich über Empfehlungen freuen würden? Machen Sie es Ihren Kunden so leicht wie möglich, schnell und unkompliziert einige Zeilen über die Erfahrungen mit Ihnen zu schreiben?

Ein Hotelbesitzer beklagte sich nach einem meiner Vorträge bei mir darüber, dass meist nur die unzufriedenen Gäste im Web bewerten würden, die vielen begeisterten Gäste hingegen würden es zwar den Hotelmitarbeitern sagen – aber nicht im Web nach Bewertungsmöglichkeiten forschen, um ihre Zufriedenheit mit anderen zu teilen.

Ich empfahl ihm, bei der Abreise von den zufriedenen Gästen schriftlich die Erlaubnis einzuholen, ihnen per Mail einen direkten Link zu einem seriösen Bewertungsportal zu senden – mit einem netten Begleittext und dem Versprechen, dass sie für die Mühe beim nächsten Besuch ein Getränk spendiert bekämen. Das wäre ganz sicher eine fast kostenfreie erfolgreiche Empfehlungsstrategie. Leider hat er es nie umgesetzt, anscheinend ist vielen Kaufleuten das Jammern näher als die Tat…

Nicht nur Hotels und Restaurants, auch Ärzte, Rechtsanwälte, Unternehmensberater, Handwerker und Werbeagenturen können sich die Dankbarkeit ihrer zufriedenen Kunden zunutze machen, indem sie einen solche Mail mit Link (aber bitte bei Privatkunden nur mit unterschriebener schriftlichen Einwilligung!) zusenden.

Wenn etwa die Sprechstundenhilfe im vertraulichen Gespräch mit dem geheilten Patienten auf diese Möglichkeit hinweist, im Web vielen anderen von dem ausgezeichneten Spezialisten zu erzählen, wird der internetaffine Patient das sicher gern tun – es muss ihm eben nur so leicht wie möglich gemacht werden – er wird nicht aktiv danach suchen – er braucht ein wenig Unterstützung.

Empfehlungen über Facebook

Eine Facebook-Fanpage lebendig zu halten, ist nicht leicht. Hier sind die großen Marken mit dem hohen Branding-Faktor ganz klar im Vorteil. Doch die Mühe kann sich lohnen, denn gerade Facebook ist nach Google die zweitwichtigste Plattform, über die Traffic auf die eigene Website gelangt. Gerade die Einträge, die in den persönlichen Profilen erscheinen, sind sehr wertvoll und verbreiten sich viral.

So könnte ein Hochzeitsfotograf sich mit dem Kunden bei Facebook befreunden und selbst etwas Nettes über die Hochzeit schreiben – er wird mit hoher Sicherheit eine Antwort erhalten – und alle Freunde und Hochzeitsgäste des erfreuten Kunden lesen mit – und kommentieren womöglich selbst…

Negative Bewertungen in Empfehlungen umwandeln

Bei Google Places und Qype haben die Unternehmen die Möglichkeit, auf negative Bewertungen zu antworten. Durch die Einführung von Google Plus bemüht sich Google, die anonymen Autoren auszumerzen – man kann also alles schreiben, muss jedoch bei Google Places mit seinem Namen dazu stehen.

Auch viele andere Bewertungsportale bieten die Möglichkeit der Unternehmensantwort. In allererster Linie wird – vor allem in den USA – Facebook und Twitter genutzt, um auf Kritik konstruktiv zu reagieren, sich zu entschuldigen – oder auch einfach einen Sachverhalt aus eigener Sicht zu schildern.

Wenn man etwa die Twitter-Kundenhotline der Deutschen Bahn studiert, stößt man sehr viel auf Kritik – ebenso bei der Facebook-Fanpage der Telekom “Telekom hilft”. Aber die Unzufriedenheit vieler Kunden wird auf diesem Weg kanalisiert und aufgefangen. Es wird zugehört, geantwortet, die öffentliche Kritik wird im Anschluss über Mail oder Telefon auf eine vertrauliche Ebene gebracht.

Die meisten Unternehmen erfahren weit häufiger Lob als Kritik. Hier ist es besonders sympathisch, wenn man sich bei einer Reklamation entschuldigt, vielleicht sogar als Wiedergutmachung ein kleines Geschenk macht. Es gibt viele Fortbildungen zum Thema “Reklamationen zur Kundenbindung nutzen” – warum nicht auch einfach über das Web 2.0?

Das Bewertungsportal Qype

Qype ist ein Bewertungsportal, das vor allem für die Umgebungssuche gedacht ist. Registrierte Nutzer können gastronomische Betriebe, Freizeit-Locations, Dienstleister, Verkehrsmittel und Bildungsträger bewerten – also nahezu alles. Bei „Insidern“ ist Qype in schlechten Ruf geraten, da das Portal wenig Kontrolle auf die Bewertungen ausübt, anonyme Profile sind erlaubt, man schätzt, dass etwa zwei Drittel der Bewertungen gefälscht sind. Das führt leider auch dazu, dass sich Wettbewerber auf Qype manchmal regelrechte Bewertungsschlachten liefern – bei denen man dem Konkurrenten durch negative Bewertungen möglichst schadet.

Doch Qype ist bei Google sehr gut gerankt, und das sollte man für sich nutzen. Erstellen Sie auf jeden Fall bei Qype ein Profil Ihres Unternehmens. Es ist in der Basis-Funktion kostenlos und sehr schnell getan. Sie können auch Fotos hinzufügen (da sind übrigens Menschen immer sehr viel schöner als Logos…).

Wenn Sie Ihr Unternehmen bei Qype eingestellt haben, können Sie den Link an Ihre Geschäftsfreunde per Mail, über Ihre Facebook-Fanpage, Ihren Bog, über Xing und Twitter verbreiten – und um Bewertungen bitten. Sicher werden Sie leicht einige Bewertungen erlangen können – und die erscheinen dann mit etwas Glück bei Google ganz weit oben, wenn man Ihren Namen googlet.

Falls Ihnen negative Bewertungen begegnen, bei denen der Absender nicht ersichtlich ist, können Sie diese kommentieren. Aber ob das überhaupt passiert, ist ja nicht gesagt. Und es gibt auch die Möglichkeit, Qype auf unseriöse Bewertungen aufmerksam zu machen – man kann sich nur leider nicht auf die Administration des Ganzen verlassen. Nehmen Sie am besten negative Einträge mit Gelassenheit hin – sie sind das „Salz in der Suppe“ und machen die positiven Kommentare auf jeden Fall glaubwürdiger.

Empfehlungsmarketing als Strategie

In jeder Kommunikationsstrategie sollte das Thema Bewertungen Einzug halten – denn gerade jetzt, wo die Praxix der Web-Empfehlungen seinen Kinderschuhen entwächst und vertrauenswürdiger, branchenübergreifender und aussagekräftiger wird, ersetzen positive Bewertungen klassische Werbekanäle. Die wichtigste Eigenschaft, die der Berater bei der Strategieentwicklung des Empfehlungsmarketings aufweisen muss, ist Empathie und Einfühlungsvermögen: Was müsste passieren, damit ich als Kunde eine positive Bewertung schreibe?

Hier eine kleine Auflistung, welche Kriterien für die Empfehlungsstrategie beachtet werden sollten

  • Sei direkt: Teile Deinem Kunden eindeutig mit, dass Du Dich über Bewertungen freust
  • Sei mutig: Trau Dich, Dich dem Urteil Deiner Kunden auszusetzen – gerade negative Punkte helfen Dir, Dich ständig zu verbessern
  • Sei kreativ: Schaffe Anreize für Bewertungen – die jedoch nie nach Bestechung aussehen dürfen
  • Sei klug: Integriere Bewertungsmöglichkeiten in Deine Webauftritte; nutze unaufdringlich Website, Blog, Facebook, Google, Newsletter, Mails, Briefe und Social Networks, um zu Bewertungen zu ermutigen
  • Sei großzügig: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft – was kannst Du tun, um mit einer kleinen Anerkennung Deine Kunden zu erfreuen?
  • Sei kommunikativ: Je mehr Du selbst über Dich und Dein Unternehmen im Web erzählst, desto mehr Aufmerksamkeit erhältst Du – sei aufrichtig, persönlich, erzähle Geschichten und mach deutlich, wie sehr Du Deine Kunden schätzt
  • Nutze Qype! Auch wenn es nur wenige Menschen bewusst als Bewertungsportal wahrnehmen, ist es kostbar, da die Bewertungen unter Deinem Namen prominent bei Google platziert sind

Aufgabe 1: Legen Sie sich ein Qype-Profil an und erstellen Sie einen Geschäftseintrag (wenn möglich)

Aufgabe 2: Erstellen Sie schriftlich in Stichpunkten einen Plan, wo uns wie Sie überall auf Ihr Unternehmen aufmerksam machen können – und um Bewertungen bitten.


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