amazon.de: 2 Wochen Praktikum in der Kritik – zu Recht?

Amazon Deutschland stand in den letzten Wochen viel in der Kritik, weil sie in großen Mengen Praktikanten (für jeweils 14 Tage) von den Arbeitsagenturen und Jobcentern vermittelt bekommen hatten. Doch liest man die Berichte genauer, stellt man fest, dass die allermeisten der Praktikanten anschließend eingestellt wurden – ist da ein zweiwöchiges Praktikum nicht völlig legitim, verständlich und nachvollziehbar?

Ich kenne die Geschäftspolitik von amazon.de nicht näher. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass Konzerne wie amazon, apple, Microsoft, OTTO etc. alle nicht nur deshalb so mächtig geworden sind, weil sie so leistungsstark sind und ein so empathisches Marketingkonzept verfolgen. Sicher ist der politische Einfluss für jedes wachsende Unternehmen ein unbedingtes Muss – und diese Verflechtungen sind zu Recht mit Misstrauen zu betrachten, da sie sich demokratischer Regeln, Gleichbehandlung und kontrollierender Öffentlichkeit entziehen.

Doch in diesem Fall möchte ich die Amazon-„Affäre“ einfach mal auf den Inhalt herunterbrechen: Da baut ein Unternehmen ein riesiges Logistik-Zentrum in Wesel auf und braucht für das nahende Weihnachtsgeschäft unzählig viele neue Mitarbeiter. Ist es nicht völlig normal, sich mit der Arbeitsagentur für die Aktion kurzzuschließen? Ist es nicht total verständlich, zunächst die Bewerber (die ja von den Arbeitsagenturen her verpflichtet sind, sich um ausgeschriebene Stellen zu bemühen) zwei Wochen lang zu testen, um die zu entdecken, die dann auch wirklich dort arbeiten wollen? Und last, but not least: Ist es nicht für die Arbeitssuchenden (die sicher für den Job auch zum Teil längere Anfahrtszeiten in Kauf nehmen müssen) eine Chance, zunächst den Arbeitgeber auf Kosten der Agentur für Arbeit zwei Wochen lang testen zu können, bevor sie sich für längere Zeit an ihn binden?

Sollte ich (was nicht passieren wird) mich jemals wieder um eine sozialversicherungspflichtige Arbeit bemühen, würde ich immer zunächst zwei Wochen dort Praktikum erwarten, um das Betriebsklima, meine Aufgabe, die Rahmenbedingungen und Abgleich von Erwartungen beider Seiten abzuklopfen. Als freier Auftragnehmer ist das anders, da können beide Seiten den Vertrag kündigen – doch als Angestellter bin ich ja sozusagen „verheiratet“ mit dem Betrieb, das würde ich nie tun, ohne es zuvor studieren zu können.

Was ich wirklich schlimm finde, sind die Bedingungen für Hochschulabsolventen, die einjährige Praktika ohne Entlohnung machen sollen (also wieder nur was für Kinder wohlhabender Eltern, die das finanzieren können). Das geht nicht, es sei denn, das Unternehmen bietet den jungen Akademikern eine Weiterbildung, die sich die Waage hält mit den Arbeitsleistungen, die gebracht werden. Das ist Ausbeutung und teilt unsere Gesellschaft in die, die sich so etwas leisten können (und weiter von den Eltern abhängig bleiben) und die, denen dadurch der Weg in bestimmte Positionen verbaut bleibt. Sie müssen nun mal mit Mitte Zwanzig Geld verdienen und haben keine Wahl.

Aber vierzehntägige Praktika sind damit nicht auf eine Stufe zu stellen – ich finde es sogar von der öffentlichen Hand sehr vorbildlich, Arbeitslosen diese Probezeit zu ermöglichen – denn wie heißt es so schön in Schillers Glocke: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet…“

Quelle: RP-Online Wirbel um Amazon-Praktikanten

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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