Rückblick zur #blogparade „Besitz – Lust oder Last?“ und was ich gelernt habe

Blogparaden sind wunderbar, um sich gemeinsam mit anderen Bloggern über ein Thema auszutauschen und verschiedene Perspektiven kennen zu lernen. Vielen Dank an Johannes Mairhofer, Mareike Knue, Jörg Wassink, Margot Böhm und Heiner Tenz, die ihre Standpunkte und Gedanken zu diesem wichtigen Thema „Was bedeutet mir eigentlich Besitz?“ aufgeschrieben und veröffentlicht haben. Seit ich diese Blogparade begann, ist mir überall das Thema „Besitz“ und „Besitzlosigkeit“ begegnet (so wie eine Schwangere überall Schwangere sieht), und nun möchte ich noch einmal auf die Beiträge der Blogger verweisen – und mein abschließendes Resümee ziehen – denn ich habe mich seitdem verändert.

Zunächst einmal die Blogbeiträge aufgelistet, damit man sie nach und nach lesen – und eine eigene Meinung angliedern kann:

  • Johannes Mairhofer hat einen sehr inspirierenden Beitrag geschrieben, in dem er den großartigen „Fightclub“ Film einbindet und das „100 Dinge Projekt“. Er spricht mir sehr aus dem Herzen, da ich Konsumgüter als extrem belastend empfinde – so viel Gepäck, das so schlimm bindet! Also unbedingt lesen – ist richtig gut
    Johannes Mairhofer: Besitz
  • Und hier schreibt Eva Ihnenfeldt, von wieviel und welchem Besitz sie träumt – und was Besitz mit Freiheit zu tun hat
    Eva Ihnenfeldt: Besitz
  • Mareike Knue beleuchtet in ihrem Beitrag die Sicht einer Familie mit Kind zum Thema „Besitz“. Menschen ohne Kinder machen sich selten bewusst, was alles die Folgen sind, wenn eine Familie „sesshaft“ wird und sich Besitz zwangsläufig ansammeln muss! Ich habe mich beim Lesen des lebendigen, einfühlsamen Beitrags dann wieder erinnern können…
    Mareike Knue: Kinder und Besitz
  • Jörg Wassink geht in seinem Beitrag ganz konkret darauf ein, wie wir vom „Besitzenden“ im digitalen Zeitalter immer mehr zum „Leihenden“ bzw. „Mietetendem“ und „Streamendem“ werden. Digitale Formate erlauben uns, auf materiellen Besitz weitgehend zu verzichten – doch führt das in eine neue Zwei-Klassen-Gesellschaft von vermögend Konsumierenden und denen, die sich digitalen Komfort nicht erlauben können? Danke für den nachdenkenswerten Beitrag – wirklich sehr lesenswert!
    Jörg Wassink: Besitz
  • Margot Böhm lebt seit einiger Zeit privilegiert auf Sylt- in einem Wohnwagen. Sie hat ihre Wohnung vermietet und lebt nun – ähnlich wie Anne Donath – ganz nah an der Natur und mit ganz wenig Besitztümern. Allerdings würde sie nicht auf Strom verzichten wollen, und fließend Wasser ist auf dem Campingplatz auch auch zum Spülen, Duschen, Wäsche wachen etc. kein Problem. Margot Böhm ist selbstständig und coacht Menschen und Organisationen auf Sylt.
    Margot Böhm: Besitz
  • Heiner Tenz betrachtet aus einer ethischen Sicht den Unterschied zwischen Besitz und Eigentum. Besitz wandelt sich ja zunehmend in etwas zeitlich Befristetes um – aber Eigentum ist grundlegender. Zitat: „Daher ist meine Arbeitskraft, meine Gesundheit, mein Wissen und meine Fähigkeit, mich allen möglichen Situationen anpassen zu können, mein wichtigster Besitz oder doch besser Eigentum.“ Vom besitzlosen Berber bis zum Haus-Eigentümer – unser Besitz richtet sich nach unsere Werten und Entscheidungen.
    Heiner Tenz: Besitz

Wie ich mich und meine Einstellung zu „Besitz“ seit dem Start der Blogparade verändert habe

Ich bin (wie diejenigen, die mich kennen wissen) ein Freiheits-Fundamentalist. Alles, was mich binden will, weckt in mir Alarminstinkte und ich werde zur Kriegerin. Auch bin ich bereit, den Preis für diese Freiheitssucht zu bezahlen: Weitgehender Verzicht auf Sicherheit, Geborgenheit, Materie. Doch ich kann nicht davon ausgehen, dass es anderen Menschen so geht wie mir. Und da ich in einem Land lebe, das als letzten Ausweg hervorragende Sicherungsnetzwerke bietet wie kaum ein anderes Land auf der ganzen Welt, habe ich auch gut reden.

Amerika und das Heer der Besitzlosen

Wenn mein Blick sich dann nach Amerika richtet, vergeht mir ganz schnell mein Hochmut. Unfassbar, wie das poverty-1148934_640Auseinanderdriften von Vermögenden und Ausgelieferten dort wütet, ohne dass es wie in Deutschland einen „Barmherzigkeitsschleier“ gibt, der sich über die Verteilung von Macht und Gütern legt. Junge Menschen, die einen guten Beruf wollen, machen einen College-Abschluss und starten hochverschuldet ins Berufsleben. Ehemalige Hausbesitzer leben massenweise in Wohnwagen und gehen im Rentenalter Vollzeit arbeiten. Unzählige Amerikaner haben keine Krankenversicherung und müssen für jede unvermeidliche medizinische Behandlung Kredite aufnehmen und abbezahlen.

Leasing statt Besitzen

Besitz verlegt sich immer mehr ins Digitale – in Besitz auf Zeit: Zeitung lesen, Musik hören, Bücher lesen, Daten archivieren, digitale Angebote nutzen…. für alles und jedes muss ein „kleiner“ Betrag monatlich gezahlt werden, sonst ist man nach und nach abgehängt. Allein die Grundkosten für einen Internetanschluss und die mobile Nutzung sind eine Belastung für Geringverdiener, und immer mehr verlagert sich ins Netz und kommt an Mietgebühr hinzu – oder man bleibt draußen.

Familien und Besitzzwang

Auch wenn ich persönlich es spannend und romantisch finde, wenig zu besitzen, berührt es nicht die Frage, was das alles gesellschaftlich bedeutet. Mareike Knue hat wunderbar beleuchtet, wie unmöglich es ist, mit Kindern diese werteorientierte Besitzlosigkeit zu leben. Nicht nur die schenkwütigen Verwandten verhindern es – Institutionen und gesellschaftliche Anforderungen kommen hinzu und verlangen von Kindern und Eltern, sich anzupassen.

Der US-Wahlkampf symbolisiert eine Menge

Der US-Wahlkampf ist auch ein Kampf zwischen den Besitzenden und den Besitz-Bedrohten. Wie sang Rio Reiser so schön: „Geld ist nicht wichtig, es beruhigt nur die Nerven, und man muss es schon besitzen, um’s zum Fenster rauszuwerfen“. Hilflosigkeit bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit; gesellschaftliche Ächtung, Einsamkeit, Informationslosigkeit – und letztendlich Hunger und Kälte sind nichts, was auf die Länder beschränkt ist, denen wir Weihnachten traditionell Spenden zukommen lassen, um uns zu beruhigen. Es kriecht immer näher und durchsetzt die Industrienationen immer stärker.

Eva Ihnenfeldt entschuldigt sich

Ich entschuldige mich hiermit bei allen Menschen, die nicht freiwillig und privilegiert auf Besitz verzichten, sondern die aus ihrer Sicherheit und ihrem gesellschaftlichen Status geworfen wurden, ohne es selbst zu wollen und ohne ein eigenes Verschulden entdecken zu können. Es passiert einfach, weil es ungestraft möglich ist. Weil es kein gesellschaftliches Korrektiv mehr gibt im Moment. Kein Wunder, wenn diese Verbitterten und Entwurzelten Trump wählen. Was sollen sie sonst tun? Gar nicht wählen? Und nein, die anderen Kandidaten sind keine Alternative, da sie im Wahlsystem der USA keine Chance haben. Man braucht 15%, um überhaupt auf den jeweiligen Wahlzettel zu kommen (was 2016 nur dem libertären Kandidaten in allen Bundesstaaten gelang) – und es herrscht das Prinzip „The Winner takes ist all“ – also ist eine solche Stimme eine reine Proteststimme ohne Konsequenzen für den Ausgang der Wahl.

Ausblick und Hoffnung

washington-d-1624095_640Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Ob die Vermögenden und Vernetzten sich immer mehr an den herrlichen Errungenschaften der digitalen Welt laben können, während die „Tagelöhner“ von den Resten leben im Überlebenskampf. Ob die Globalisierung zur Individualisierung der Welt führt, in der dem Menschen das Schicksal seines Mitmenschen zunehmend gleichgültig ist. Oder ob wir gerade heute, gerade jetzt einen Umschwung erleben und ein großer Teil der Menschheit auf der einen Seite sich nicht mehr von Besitz korrumpieren lässt – und auf der anderen Seite die Vernetzung nutzt, um eine friedliche Gegenbewegung zu realisieren. Mistgabel-Revolution ala Trump oder Menschlichkeitsoffensive als Bernie Sanders – wir haben die Wahl 🙂

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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