Glaubwürdigkeit und Bekanntheit sind die Währung des virtuellen Zeitalters

Wir leben immer mehr im „Cyber Space“, in einer unbegreiflichen Welt ohne verlässlich gewachsene Strukturen. Häufig werde ich in meinen Vorträgen gefragt: „Und woher wissen Sie, ob eine Information, die Sie im Web finden, auch stimmt?“. Ja, woher weiß ich das? Woher nehme ich das Vertrauen, mit einem Unbekannten in Kontakt zu treten, auf den ich bei Twitter, Facebook, Xing oder über einen Blog stoße – oder der mit mir über eines der Netzwerke in Kontakt tritt? Und wie schütze ich mich vor den vielen Gefahren, die in diesem öffentlichen Raum lauern – wobei die Gefahr des Einbruchs bei mir zu Hause, weil ich sichtbar gerade unterwegs bin, mir noch die geringste erscheint!

Vor einigen Tagen habe ich einen aktuellen Vortrag von dem schwedischen Künstler, Autoren und Web 2.0 Aktivisten Alexander Bard gefunden (natürlich über Twitter). Er beschreibt in dem achtminütigen Video, wie sich durch die interaktive Kommunikation im Web grundsätzliche Werte verändern – ja verändern müssen, da wir nun dieser unbegreiflich großen Masse an Informationen gegenüberstehen, die wir wohl oder übel für uns filtern müssen. (Vortrag auf englisch, aber gut zu verstehen)

Er meint, dass nicht mehr Geld und gesellschaftlicher Stand über Einfluss und Macht entscheiden, sondern Bekanntheit und Glaubwürdigkeit. Das hat mich sehr nachdenklich gemacht, denn auch ich werde zunehmend genau durch diese Faktoren geleitet, um mich im Dschungel der vielen Menschen und Medien im Social Web zurechtzufinden. Egal ob ich im Web Zeitung bzw. Blogs lese, ob ich Kommentare in den SteadyNews erhalte oder bei Twitter, Xing oder Facebook kommuniziere – Absender-Glaubwürdigkeit ist der Indikator für meine Kommunikationsbereitschaft – und Absender-Bekanntheit durchaus ein Indikator für meine Investionsbereitschaft – wer bekannt ist, dem vertrauen viele und sicher zu recht…

Man darf allerdings nicht Glaubwürdigkeit mit Wahrhaftigkeit verwechseln – und Bekanntheit nicht mit seriöser Prominenz. Alexander Bard warnt eindrücklich vor der Glaubwürdigkeit von al Qaida, die es schaffen, Selbstmordattentäter zu rekrutieren – und sich wie ein Virus immer weiter im Web auszubreiten. Glaubwürdigkeit hat mit Glauben zu tun, und Bekanntheit mit der Fähigkeit, sich immer wieder einer großen Öffentlichkeit ins Gedächtnis zu rufen: Durch Staunen, Lachen, Empörung – oder auch Verachtung…

Beispiel Menderes

So hat es ein junger Möchtegernsänger geschafft, DSDS als Marketinginstrument für sich zu nutzen – trotz völliger Talentlosigkeit und dem abfälligen Verhöhnen der Massen. Der junge Menderes Bagci hat es mit seiner Hartnäckigkeit – und mit YouTube, Facebook und Twitter geschafft, Karriere zu machen. Er ist zwar als Sänger talentlos und der typische „Looser“, der sicher auch in der Schule schon immer verspottet wurde, doch er ist glaubwürdig und bekannt – und allein das macht ihn zum „virtuellen Liebling“ der verunsicherten Nation.
Focus: DSDS-Menderes startet TV-Karriere

Was bedeutet das im Business?

In den USA wird man – wenn man sich um eine Führungsposition bewirbt – schon ganz selbstverständich danach bewertet, wie viele Freunde und Follower man in den sozialen Netzwerken hat, und natürlich, mit wem man dort befreundet ist. Über den Klout-Wert können Arbeitgeber in Sekundenschnelle feststellen, ob der Bewerber Einfluss besitzt – also wie häufig seine Beiträge kommentiert, weitergegeben und geliked werden. Der Marktwert des zukünftigen Managers bemisst sich nach Glaubwürdigkeit, Netzwerk und Bekanntheit.

Ich kann gut verstehen, dass dieser Trend Sorgen bereitet. In unseren Weiterbildungen zum Social Media Manager betonen wir immer wieder, dass unsere Teilnehmer virtuelle Netzwerke aufbauen müssen, um ihren „Marktwert zu steigern“ – um sich glaubwürdig als Social Media Manager zu positionieren. Auch ganze Unternehmen müssen diesen Weg gehen, um sich nachhaltig zu positionieren im Wettbewerb um die besten Arbeitnehmer, die treuesten Kunden, das beste Image und die wertvollsten Beziehungsgeflechte.

Ich selbst freue mich über diese Entwicklung, da ich eine weltweite Vernetzung als demokratischen Quantensprung empfinde, und da ich mir meine Freunde gern aussuche nach Glaubwürdigkeit, Großzügigkeit, Transparenz  und Vertrauenswürdigkeit – die neue Währung im Web 2.0.

Menderes bei DSDS 2010 (Interessant sind die Kommentare auf YouTube…)

2 thoughts on “Glaubwürdigkeit und Bekanntheit sind die Währung des virtuellen Zeitalters

  • Reply Lars Hahn 24. Mai 2012 at 08:25

    Das erklärt, warum Facebook’s Aktienwerte sofort in den Keller gehen: Glaubwürdigkeit = Währung.

    Möglicherweise ist dann das Geschäftsmodell eben doch nicht glaub- und vertrauenswürdig genug. Und vielleicht sogar der Herr Zuckerberg selbst nicht.

    • Reply Eva Ihnenfeldt 24. Mai 2012 at 14:39

      Ganz genau, so sehe ich das auch. Eine große Verantwortung für Menschen wie Dich und mich, die mit Überzeugung Social Media weitergeben und Social Media Manager ausbilden! Und Du bist auf jeden Fall glaubwürdig und verstehst es, gemeinschaftlich zu arbeiten und Neues zu schaffen – danke dafür

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