Kolumne: Wird der Körper überflüssig?

Gastbeitrag von Dr. phil. Johannes Lierfeld, Köln: Die öffentlichen Diskussionen rund um die drohende Obsoleszenz des Menschen umkreisen für gewöhnlich vor allem die Transformationen, die im Zuge der Automation die Arbeitswelt betreffen. Wenig bis keine Beachtung hingegen findet der Bereich des Körperlichen, der durch kommende Technologien ebenfalls bedroht ist, obsolet zu werden. Sicher ist jedenfalls, dass auch hier, in unserer biologischen Erscheinungsform, tiefgreifende Veränderungen anstehen. Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang lautet: Sind wir als Spezies für diese weit über den natürlichen Mutationsgrad hinausgehenden Transformationen bereit?

Oberflächlich betrachtet, sieht es momentan eher danach aus, als rücke der Körper mehr und mehr in den Fokus der menschlichen Selbstoptimierung. Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit werden durch verschiedenste Formen des „Bio-Hackings“ manipuliert, genetische Profile zur Ernährungsberatung herangezogen und der Körper je nach persönlichem Gusto der Selbstoptimierer gestählt oder ausdauernd gemacht. Gesundheit und Fitness – wobei die beiden Begriffe denkbar unscharf verwendet werden – gilt zugleich als heiliger Gral und erstrebenswertes, massenkompatibles Ziel.

Die nächsten Optimierungsmöglichkeiten sind bereits am Markt oder kurz vor Marktreife: Crispr verspricht, Fehler im Genom zu finden und zu korrigieren, molekulare Nanotechnologie und genetisches Doping gehen noch einige entscheidende Schritte weiter. Und insbesondere im Zusammenhang mit künstlicher sowie biologischer Intelligenz wird eine – möglichst geeignete – Form von „Embodiment“ („Verkörperlichung“) als eine Grundvoraussetzung für das Entstehen von „echter“ Intelligenz angesehen.

Doch dieser Fokus auf den Körper trügt. Denn gleichzeitig wird umfassend an der Obsoleszenz unserer Körper gearbeitet. Telepräsens soll Reisen überflüssig machen, und im Allgemeinen machen Avatartechnologien räumliche Anwesenheit künftig obsolet. Sexroboter negieren die Notwendigkeit eines „Partner-Körpers“, und kommende Simulationstechnologien werden so immersiv sein, dass zu befürchten steht, die Gamer der Zukunft könnten sich vollends in Spielewelten verlieren und dabei den eigenen Körper vergessen.

Die Phase, in der wir uns befinden, könnte also gewissermaßen das letzte Aufbäumen des Körpers sein – der Abschnitt kurz vor dem Umschlagpunkt, und der folgende Paradigmenwechsel scheint geeignet, die im Zuge der Automation eintretende Obsoleszenz auch auf die körperlichen Aspekte des Menschen zu übertragen. Ob diese Befreiung von der Biologie allerdings Segen oder Fluch ist, bleibt strittig. Es ist beispielsweise fraglich, wie ein menschliches Bewusstsein in einer virtuellen Umgebung – oder ein menschliches Gehirn, verpflanzt in einen Roboterkörper – mit der fehlenden oder veränderten Form von Embodiment zurecht kommen würde. Und solange wir nicht wissen, welche essenzielle Rolle das Embodiment für unser Bewusstsein genau spielt, sollten wir darauf verzichten, unsere Körperlichkeit vollständig abzulegen.

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Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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